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Mal angenommen, Pflege wird fair bezahlt, wollen dann mehr Menschen in der Pflege arbeiten, aber kaum jemand kann sich noch einen Heimplatz leisten.

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Mein Name ist Vera Wolffs Kempff und ich bin Maser Heber allein. Wir arbeiten hier fürs ARD-Hauptstadtstudio in Berlin. Ihr hört mal angenommen den Zukunfts Podcast der Tagesschau.

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Wir machen hier ja jede Woche ein kleines Gedankenexperiment und diese Woche ist das eins, das seit Corona nochmal mehr diskutiert wird. Letztes Jahr haben ja viele von ihren Balkons geklatscht für die Menschen in der Pflege und dann gab's auch einen kleinen Bonus. Aber ansonsten hat sich gar nichts geändert, obwohl es ja so ein systemrelevanter wichtiger Job ist.

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Deshalb schauen wir uns heute mal an, was wäre, wenn wir Pflegeberufe besser bezahlen. Wenn es so käme, dann könnte sich die Tagesschau in der Zukunft vielleicht mal so hier anhören.

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In der Alten und Krankenpflege wird der Fachkräftemangel bald überwunden sein. Das hat die Gewerkschaft der Pflege prognostiziert. Grund sei das deutlich höhere Einstiegsgehalt. Zum ersten Mal habe es mehr Bewerbungen als Ausbildungsplätze gegeben. Auch der Männeranteil hat sich deutlich erhöht. Es bewerben sich jetzt fast so viele Männer wie Frauen für Pflegeberufe. Das hört sich doch gut an.. Pflege wird so beliebt, dass sich Krankenhäusern, Altersheime kaum mehr vor Bewerbungen retten können. Ziemlich gute Zukunft, ja. Aber wie viel Geld reden wir denn?

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Das müssen wir vielleicht als erstes klären.

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Klingt ja immer ganz gut. Faire Bezahlung. Aber letztlich hat doch jeder eine andere Vorstellung davon, was genau fair eigentlich ist.

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Gut, dass da schon mal jemand wissenschaftlich drüber nachgedacht hat.

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Ute Klammer nämlich, Soziologin an der Uni Duisburg Eine faire Bezahlung für eine Pflegekraft mit einer abgeschlossenen Ausbildung wäre ungefähr eine Bezahlung, wie sie heute ein Ingenieur bei uns erhält. Wie kommen Sie darauf? Wir kommen darauf, weil wir uns die Gesamtbelastung angesehen haben, die mit bestimmten Berufen verbunden sind. Die Belastungen setzen sich zusammen aus, z.B. Anforderungen an die Ausbildung, körperliche Kraft, die man braucht. Psychische Belastung, Verantwortung, die man für Menschen, für Maschinen und wenn man das alles addiert und gewichtet, da gibt es etablierte Verfahren für kann man Berufe in bestimmte Gruppen einordnen.

[00:02:19]

Das haben wir erstmals gemacht statistisch. Und da sehen wir deutlich, dass vergleichbare Berufe mit der Pflege z.B. Ingenieurs Berufe werden, also Ingenieurs, Berufe und Pflegeberufe.

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Die kommen bei ihnen auf dieselbe Punktzahl von Belastung am Ende. Aber die Art der Belastung, die ist ja in den Berufen sehr unterschiedlich. Können Sie das mal erklären?

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Also bei den Ingenieuren schlägt natürlich vor allem zu Buche, dass sie eine lange Ausbildung haben. Das ist auch völlig unbestritten. Man kann nicht einfach so als Ingenieur starten, also eine akademische Ausbildung. Und es ist oft Verantwortung für Maschinen z.B. die wird in Deutschland hoch gewertet. Also die Kenntnisse schlagen sehr zu Buche und eben Verantwortung für Maschinen bei Pflegeberufen schlagen eben zu Buche. Vor allem körperliche Anstrengungen teilweise schlagen zu Buche. Die Empathie, eben das Einfühlungsvermögen, der Stress, der auch durch das Leid, was man sieht, sozusagen verursacht wird, also die psychischen Belastungen.

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Also in unserer fernen Zukunft würden Pflegekräfte so viel verdienen wie ein Ingenieur oder eine Ingenieurin. Wie viel ist das denn aktuell?

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Ingenieure haben ein Einstiegsgehalt in Deutschland im Moment von jährlich statistisch 51 000 Euro. Das streut natürlich auch. Aber das ist so ein Richtwert.

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Das heißt also, ein bisschen mehr als 4 000 Euro pro Monat, kann man so sagen, ja.

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Also deutlich mehr als heute würden Pflegerinnen und Pfleger dann verdienen.

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Man kann auch sagen Die Gesellschaft wird gerechter, wenn man den Ingenieur nur noch das halbe Gehalt zahlt. Es wäre genauso ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit. Aber das will natürlich niemand so. Und wenn man sagt, wir gleichen nach oben an, dann sind wir bei Angleichungen, die locker um die 50 Prozent betreffen, für Pflegekräfte. In unserem Szenario kriegen also Pflegekräfte etwa die Hälfte mehr Lohn im Durchschnitt. Das heißt, in der Altenpflege werden die Steigerungen ein bisschen größer, denn die da wird ja deutlich schlechter bezahlt als im Krankenhaus.

[00:04:18]

Im Moment, in dem Modell von Ute Klammer, der Soziologin, wäre dann beides gleichwertig.

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Ja, es gäbe natürlich weiterhin Tätigkeiten, die auch in unserer Zukunft nicht so gut bezahlt werden. Ist ja auch heute schon so. Die Hilfstätigkeiten, also Menschen, die keine Fachkraft sind, die kriegen dann auch in unserem Szenario keine 4000 Euro Einstiegsgehalt. Aber es wäre mehr als jetzt und das wächst ja nochmal über die Zeit. Okay.

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Und so grundsätzlich kann man sagen eine Angleichung. Denn es ist ja im Moment so, dass es wirklich viele Unterschiede bei den Gehältern gibt, in der Pflege auch, je nachdem, wo man angestellt ist, also in welchem Bundesland oder ob das kirchliche oder private Träger sind. Das ist eine riesen Spanne, die geht von 2000 bis 3500 Euro Vollzeit natürlich.

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Na also. Eins kann man schon mal festhalten Für unser Szenario für die Beschäftigten würde die Lage natürlich besser mit mehr Geld. Aber Frage würden die dann auch ihren Job lieber machen?

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Das hab ich eine Pflegerin gefragt. Kim Peters Die war erst Altenpflegerin und jetzt ist sie Krankenschwester am Diakonie Klinikum in Hamburg. Und damit weiß sie schon so ein bisschen, wie sich unser Szenario anfühlen könnte. Also sie macht ja jetzt fast den gleichen Job wie früher, nur mit ein bisschen besserer Bezahlung.

[00:05:26]

Das ist ja einfach so, dass mehr Lebensqualität entsteht durch mehr Gehalt und mehr Wertschätzung. Wenn ich jetzt den Vergleich habe, dass ich so wenig verdiene wie eine Hilfskraft irgendwo am Fließband in einem großen Autokonzern. Das hat mit Wertschätzung nicht mehr so viel zu tun. Man darf ja nicht vergessen, was wir da leisten. Das ist ja schon. Wir arbeiten an einem Menschen und wir sind ja schon das Sprachrohr für Leute, die halt nicht viel können und vielleicht gerade hilfsbedürftig sind.

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Und es geht da um Leben auch. Und ich finde, dafür kriegen wir einfach viel zu wenig Gehalt.

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Reicht es denn beim Lohn was zu verbessern, um den Job attraktiver zu machen, wenn die Belastungen einfach abnehmen würde durch mehr Personal?

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Dadurch, dass du halt nicht mehr so eine Verantwortung geballt für so viele Menschen tragen musst, dann nimmt das halt auch für den Geist, für die Psyche, für einen selber. Es ist halt auch viel angenehmer zu arbeiten. Dass er diesen Druck nicht mehr hast. Man darf ja nicht vergessen, wir arbeiten am Wochenende, wir arbeiten feiertags, wir arbeiten nachts, wir arbeiten, wenn andere zuhause sind und abends auf der Terrasse grillen. Mit Freunden müssen wir auch arbeiten.

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Klar hat man sich den Job ausgesucht, aber dieser soziale doch irgendwie Ausgrenzung wird einem erst bewusst, wenn man ein bisschen älter wird und überlegt sich dann Gott finde mein Kind das jetzt klären würde, wird wahrscheinlich raten, irgendetwas anderes zu machen. Warum hast du denn den Job gewählt? Ich habe viele Berufe ausprobiert und habe viele Praktika gemacht. Und das war so mein Herzens Beruf, weil man da so viel zurückbekommt von den Patienten. Ich glaube das bekommen wir in keinem anderen Job.

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Aber finde ich schon krass, dass sie selber den Job so liebt und macht und gleichzeitig sagt, sie würde ihn nicht weiterempfehlen. Ja, total.

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Deshalb ist es auch nicht sicher, ob es in der Zukunft in unserer Zukunft ausreicht mehr zu zahlen und schon ist Pflege total angesehener Beruf.

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Deshalb hab ich nochmal genauer nachgefragt bei Mona Granat vom Bundesinstitut für Berufsbildung. Bessere Bezahlung habe ich sie gefragt Heißt das automatisch auch mehr Bewerberinnen und Bewerber?

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Ich denke, das ist ein guter Anreiz für die jungen Menschen, dass sie sich freuen würden darüber. Insbesondere die, die sich schon ganz sicher sind, dass sie diesen Beruf erlernen möchten. Aber für die anderen, da denke ich, dass ihnen ganz andere Kriterien wichtig, um junge Menschen an diesem Beruf heranzuziehen. Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass die soziale Anerkennung, das Image des Berufs für die Jugendlichen besonders wichtig ist. Das heißt, was sie erwarten, was ihr soziales Umfeld zu diesem Beruf sagt.

[00:07:56]

Ihre Eltern und ihre Freunde. Wie reagieren Sie, wenn sich die Jugendlichen überlegen? Ich möchte den Pflegeberuf erlernen. Das ist total wichtig. Das heißt, man muss nicht nur die Jugendlichen überzeugen, dass es ein guter Beruf ist und wichtiger Beruf. Sondern man muss auch Eltern mit ins Boot nehmen. Das heißt, wir müssen eine gesellschaftliche Veränderung erreichen. In den Werten, was Beruf bedeutet und auch einen gesellschaftlichen Diskurs anstoßen.

[00:08:21]

Und was glauben Sie, wie lange dauert das, bis die Einschätzung des Pflegeberuf sich verändert? Gesellschaftlich?

[00:08:27]

Das kommt auch darauf an, wie wir es schaffen, die Arbeitsbedingungen zu verändern in diesem Beruf. Denn für die Jugendlichen und ihre Berufswahl und auch auf das, was die Eltern denken, ist natürlich auch wichtig, wie die Arbeitsbedingungen in dem Beruf sind und Arbeitsdruck, Multi-Tasking und hoher zeitliche Druck, zeitliche Belastungen das sind alles Dinge, die natürlich die Jugendlichen dann eher davon abschrecken, den Beruf zu ergreifen. Und auch darin. An dieser Stellschraube gilt es gesellschaftlich zu drehen, damit sozusagen die Eltern ihren Kindern guten Gewissens raten können.

[00:08:58]

Ja. Das ist doch ein super Beruf. Mach das doch mal!

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Was glauben Sie, würden sich in unserem Szenario also mit einer besseren Bezahlung auch andere Gruppen für einen Pflegeberuf entscheiden als bisher? Also mehr Männer zum Beispiel.

[00:09:12]

Wenn nur die Bezahlung besser wird, dann gibt es schon einen Teil der Männer, die sich auch dafür interessieren würde, die sich auch jetzt schon vielleicht dafür interessieren, aber wo die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen dagegen stehen. Und wenn jetzt die Bezahlung zumindest besser würde und in einem zweiten Szenario vielleicht auch noch die Arbeitsbedingungen. Dann könnte es sein, dass da eben mehr Männer sich für diesen Beruf interessieren würden. Und daran knüpft aber auch wieder die interessantere Frage an Was passiert eigentlich mit dem Arztberuf, wenn es sozusagen einen Beruf gibt, der gut entlohnt ist im Pflegebereich?

[00:09:41]

Werden sich dann nicht Jugendliche auch stärker dafür interessieren und vielleicht den Arztberuf, der einen viel längeren Bildungsweg hat, einen Ausbildungsweg hat, beiseite legen und sagen Ja, ich kann auch Pflege machen. Ich kann auch diesen Beruf erlernen, wenn die gesellschaftliche Anerkennung da ist, wenn das Prestige eben da ist.

[00:09:57]

Also es könnte dann weniger Interesse an dem Arztberuf geben als bisher und wahrscheinlich ja auch potentiell weniger Interesse an anderen Berufen im Gesundheitsbereich, die dann eben diese Aufwertung nicht bekommen haben.

[00:10:09]

Ja, es wäre schon wichtig zu überlegen, dass in dem ganzen Bereich auch in einem medizinischen Fachangestellten, die ja überwiegend bei niedergelassenen Ärzten arbeiten, dort das Einkommen erhöht würde, damit es da einen Ausgleich gibt und nicht alle in den Pflegeberuf gehen, wenn die Arbeitsbedingungen und die gesellschaftliche Anerkennung in beiden Bereichen stimmt.

[00:10:27]

Das finde ich schon spannend. Also in unserem Szenario mehr Geld für die Pflege könnten wir dann ein anderes Problem kriegen. Nachher fehlt es vielleicht an Ärzten oder weil sie Zahnärzte innen finden, keine Helfer mehr.

[00:10:39]

Also wenn man es richtig machen will, müssten wir auf jeden Fall die medizinischen Fachangestellten in den Praxen müssten denen auch mehr Gehalt geben. Bleibt natürlich die Frage Wer soll das alles bezahlen?

[00:10:57]

Vera Du hast dir die Zahlen angeschaut, was eine bessere Bezahlung in der Pflege kosten würde. Schon jetzt gibt Deutschland ja richtig viel Geld für Gesundheit insgesamt aus. Pro Kopf sind das 4700 Euro im Jahr. Damit ist Deutschland in Europa spitze. Das ist aber nicht unbedingt so positiv, wie es klingt, weil Überversorgung da ein Stichwort ist. Deutschland ist nämlich auch bei den Hüft OP und bei den Kernspintomographie z.B. pro Kopf ganz vorne in der EU.

[00:11:24]

Da könnte man ja jetzt sagen Ist doch easy, wir kürzen da und das Geld, was wir einsparen, das stecken wir dann in die Pflege.

[00:11:31]

Ja, dachte ich auch und habe deswegen mal bei den Versicherungen nachgefragt. Die sind eigentlich immer sehr interessiert, wenn sie irgendwo Geld einsparen. Aber Florian Lanz vom Spitzenverband GKV, die vertreten alle gesetzlichen Kranken und Pflegeversicherung in Deutschland hat da so seine Zweifel.

[00:11:45]

Mir fehlt im Moment die Phantasie, wo wir im Bereich der Pflege an einer Stelle so viel Geld einsparen könnten, dass wir von den Eingesparten ernsthaft die Pflegekräfte besser finanzieren könnten. Das sehe ich tatsächlich nicht. Ich glaube, wenn wir wollen und das müssen wir als Gesellschaft miteinander entscheiden und es gibt sehr, sehr gute Gründe dafür sprechen. Mit anderen Worten Ja, wir sollten das tun, nämlich die Pflegekräfte in der Altenpflege besser bezahlen. Dann brauchen wir zusätzliches Geld im System und wir haben nur die Entscheidung als Gesellschaft.

[00:12:22]

Aus welchem Topf soll es denn kommen? Aber am Ende müssen wir es gemeinsam bezahlen, egal ob über den Umweg Steuern oder über den Umweg Beitrag zur Pflegeversicherung.

[00:12:33]

Okay, also es braucht zusätzlich Geld im System. Über wie viel reden wir denn da? Wenn wir die Gehälter in der Pflege wirklich anheben wollen?

[00:12:41]

In der Pflege gibt es insgesamt 1,7 Millionen Beschäftigte. Das lässt sich dann grob hochrechnen. Also insgesamt könnte es um 20 Milliarden Euro gehen, sagt Heinz Roth Gang. Und er ist Professor für Gesundheitsökonomie an der Uni Bremen bei gesamt Gesundheitsausgaben in Deutschland.

[00:12:57]

Von 400 Milliarden sind das fünf Prozent. Das klingt nicht so viel. 20 Milliarden auf der anderen Seite klingt schon sehr viel.

[00:13:06]

Wie kann das funktionieren? Sind das dann höhere Steuerzuschüsse, die wir bezahlen? Oder Versicherungsbeiträge oder Eigenanteil?

[00:13:13]

Es würde, wenn sonst nichts passiert, zu höheren Beitragssätze führen. Alles andere müsste man ins System hinein reformieren. Und wir haben im Gesundheitsbereich natürlich einen Bundeszuschuss von Steuermitteln. Man könnte jetzt sagen, wir wollen den erhöhen. Am Ende bezahlen wir es immer. Im Langzeitpflege Bereich haben wir natürlich noch eine andere Situation. Wenn wir da Kosten erhöhen, dann zahlen es die Heimbewohner. Und das ist gerade das Riesenproblem. Wenn wir ein Langzeit im Pflegebereich was machen, besser bezahlen, mehr Personal rein, geht das zu 100 prozent zu Lasten der Heimbewohner.

[00:13:45]

Also in unserem Szenario wären dann die Eigenanteil im Prinzip unbezahlbar.

[00:13:50]

Ja, wenn man sonst nichts macht. Ja, also die Eigenanteil liegen jetzt im Moment. Wenn ich jetzt nur auf die Pflegekosten gucke bundesweit 850 900 Euro Bundesdurchschnitt. Aber da kommt Unterkunft und Verpflegung, Investitionskosten, Ausbildungskosten. Das kommt dazu. Da sind das knapp 2100 Euro. Das ist kaum zu finanzieren. Und wenn wir jetzt da diese Personalkosten Steigerung drauf tun, dann ist klar das kann praktisch niemand mehr finanzieren. Deshalb denke ich auch das ist eng miteinander verknüpft.

[00:14:21]

Wenn wir etwas für Pflegekräfte tun wollen und wir müssen etwas dafür tun, mehr Pflegekräfte rein ins System und besser bezahlt. Das ist ein absolutes Muss. Aber dann braucht es dazu auch gerade in der Pflegeversicherung eine Finanzreform, die dafür sorgt, dass das dann nicht mehr nur auf die Eigenanteil durchschlägt.

[00:14:37]

Denn sonst ist es ja jetzt schon so, dass mehr als die Hälfte der Pflegebedürftigen zuhause von den Angehörigen gepflegt werden. Kann man sich vorstellen, dass vielleicht noch viel weniger? Sich wirklich einen Pflegedienst leisten könnten und dann noch mehr die Angehörigen belastet würden?

[00:14:51]

Das ist etwas, was wir jetzt auch schon diskutieren und sehen, dass wenn die Kosten zu hoch sind, man zögert, professionelle Pflege in Anspruch zu nehmen. Also verzögert den Eintritt ins Pflegeheim. Man versucht in der Familie erst einmal selbst zu stimmen, wie man im Pflegedienst dazu holt. Und das würde natürlich noch stärker werden. Auf der anderen Seite die familialen Pflege. Kapazitäten sind halt auch nicht unendlich und da haben wir seit vielen Jahren ja auch bestimmte Entwicklungen. Also angefangen von steigender Erwerbstätigkeit der Frauen, die früher stärker zur Verfügung standen für Pflege, Mobilität der Kinder, die nicht mehr vor Ort sind.

[00:15:28]

Und all diese Dinge sorgen dafür, dass ich mir eigentlich nicht vorstellen kann, dass die Familien noch mehr stemmen. Und wir haben ja eine erstaunliche Stabilität der Familie, eigentlich auch viel stärker, als ich das vorher erwartet hätte. Und wenn man genauer hinguckt, sieht man einen Teil davon. Beruht auch darauf, dass wir aus Mittel und Osteuropa Betreuungspersonen in die Haushalte holen. Und das sind geschätzt mehr als eine halbe. Millionen Personen, die in der Langzeit Pflege Betreuung tätig sind.

[00:16:01]

Es ist ja so, dass in Deutschland sehr viel Geld im Gesundheitssystem ist. Die Frage ist eben, an welcher Stelle wird es eingesetzt? Mal in dem utopischen Szenario gedacht kann man sich eine Knoop, eine zusätzliche Untersuchung und ein kleines Krankenhaus auf dem Land sparen und davon eigentlich die Mehrkosten, die höheren Gehälter in der Pflege bezahlen?

[00:16:18]

Theoretisch ja, im utopischen Szenario, auch wenn sie es politisch umsetzen wollen. Viel Spaß dabei.

[00:16:26]

Okay, also jetzt haben wir ja gehört, was alles schwierig wäre auf dem Weg in unser Szenario zu besserer Bezahlung. Oft hilft es ja nochmal in andere Länder zu schauen, in denen es schon besser läuft. Gibt's denn da Vorbilder?

[00:16:38]

Ja nicht. Das eine perfekte Beispiel, sagt Heinz Roth, kann aber viele gute Puzzleteile, aus denen wir uns sozusagen ein super Gesundheitssystem zusammenbauen könnten. Also z.B. in Dänemark gibt es eine gute Krankenhaus Landschaft und zwar wenige Häuser, die aber eine höhere Qualität haben. Und bei der Altenpflege werden die Angehörigen stärker eingebunden. Die können sogar bei den Kommunen angestellt werden. Dann gibt es in den Niederlanden ein hochgepriesenen Modell für die Langzeitpflege Byrd Zoch heißt es. Also ich spreche es mal mit meinem rudimentären Niederländisch aus.

[00:17:10]

Und da haben die Pflege Teams insgesamt weniger mit Bürokratie zu tun, dafür mehr Zeit für die Menschen und auch mehr Freiraum.

[00:17:18]

Wie sieht es denn mit dem Thema Studium aus? Manche sehen das ja als eine Lösung an, dass man Pflege studieren kann und dann gibt's auch eine bessere Bezahlung.

[00:17:26]

Da gibt es auch gute Beispiele in der Schweiz, in Großbritannien oder in den USA. Dort übernehmen auch studierte Pflegekräfte mehr ärztliche Aufgaben und sie haben dann auch mehr Aufstiegschancen und mehr Verdienst Stufen. Aber letztlich muss eben trotzdem jemand die Arbeit direkt am Menschen machen, auch die schweren Tätigkeiten wie Waschen und so weiter.

[00:17:45]

Und deshalb müsste auch das ordentlich bezahlt sein. Da sind wir wieder bei unserem Anfangspunkt im Szenario. Sind sich ja auch eigentlich alle Fachleute, alle Betroffenen und auch die Politik in Deutschland einig, dass Pflege besser bezahlt werden sollte.

[00:17:59]

Und trotzdem ist gerade ein Versuch gescheitert. Es sollte ja einen flächendeckenden Tarifvertrag in der Pflege geben, der für höhere Löhne gesorgt hätte.

[00:18:06]

Warum? Was hat nicht geklappt? Also die Kirchen wollten nicht mitmachen, weil sie jetzt schon besser bezahlen. Die privaten Träger haben sich quer gestellt, weil ihnen das zu teuer geworden wäre. Und die, die dafür sind, konnten sich mit diesem gemeinsamen Tarifvertrag nicht mehr durchsetzen.

[00:18:21]

Bleibt also weiterhin die Frage Wie kommen wir denn hin zu unserem Szenario?

[00:18:25]

Die habe ich weitergegeben an den Gesundheitsökonomen Heinz Rot-Grün. Ich glaube, fast am leichtesten geht das jetzt wirklich von unten, weil Pflegekräfte in einer sehr starken Marktposition sind. Und wenn sie sich ein bisschen besser organisieren würden und am besten nicht in einem halben Dutzend zerstrittener Berufsverbände, sondern auch in der gewerkschaftlichen Organisation, da wäre über normale Tarifverhandlungen wahrscheinlich dann gerade bei den privaten Trägern durchaus etwas möglich.

[00:18:53]

Also die Pflegekräfte können selbst Druck machen für ihre Situation.

[00:18:56]

Die können Druck machen und sie müssen Druck machen. Und im Moment machen sie keinen Druck. Aber es gibt Abstimmung mit den Füßen und das macht Druck.

[00:19:03]

Also mal angenommen, es gibt eine starke geschlossene Gewerkschaft für die Pflege, dann ist unser Szenario vielleicht gar nicht so unrealistisch.

[00:19:11]

Und den Druck, den gibt's ja auch durch den Fachkräftemangel. Also zurzeit fehlen 40 000 Pflegekräfte und das wird noch mehr. Unsere Gesellschaft altert ja.

[00:19:21]

Und wenn nach Corona noch mehr Pflegekräfte ihren Job hinschmeißen sollten, weil sie nicht mehr können, weil sie ausgezehrt sind, dann werden mehr Anreize für den Pflegeberuf ja nochmal wichtiger.

[00:19:33]

Es geht bei dem ganzen Thema ja auch um Gerechtigkeit. Und wenn wir schon über gute Löhne in der Pflege sprechen, frage ich mich auch Was ist denn mit den anderen Berufen, die bisher schlecht bezahlt werden, die aber auch gesellschaftlich wichtig sind?

[00:19:45]

Was müsste noch aufgewertet werden in einer Welt mit fairen Löhnen? Das habe ich Ute Klammer gefragt, die Forscherinnen vom Anfang mit dem Modell, dass Berufe nach Belastungen vergleicht.

[00:19:55]

Auf jeden Fall wären in einer faireren Zukunft soziale Dienstleistungen Berufe besser bezahlt, als sie das heute sind. Also alles, was am Menschen gemacht wird und nicht an Maschinen, was nichts mit Handel zu tun hat, sondern eben mit unserer Daseinsfürsorge, also Lehrerinnen und Lehrer, Erzieher, Erzieherinnen, solche Berufe. Aber wir sehen auch, dass z.B. Kultur Berufe eigentlich schlecht bezahlt werden und dann besser vielleicht bezahlt werden müssten oder dass auch Köche und Köchinnen relativ schlecht bezahlt werden. Die Loon Differenzen in Deutschland sind auseinandergegangen und es wäre einfach ein Ziel der Gerechtigkeit, die wieder näher zusammenzuführen.

[00:20:40]

Mal angenommen, wir sind in dieser Zukunft mit mehr Gehalt für die Pflege wollen wir das doch nochmal ein bisschen zusammenfassen.

[00:20:47]

Was könnte im schlechtesten Fall passieren? Im schlechtesten Fall gibt's für Pflegekräfte zwar mehr Lohn, aber ihre Arbeitsbedingungen. Verbessern sich nicht. Deshalb bewerben sich auch kaum mehr junge Menschen für den Beruf als vorher, denn er hat ja weiter keinen guten Ruf. Der Fachkräftemangel bleibt also. Die Kosten in der Pflege steigen trotzdem deutlich an und werden abgewälzt auf die Familien. Viele können es sich nicht leisten, mehr zur Pflege von Oma und Opa dazu zu zahlen. Also pflegen noch mehr Menschen Angehörige selber bei sich zuhause, auch wenn das große Einschnitte ins eigene Leben fordert.

[00:21:21]

Und für die Menschen, die ein Heimplatz brauchen, muss der Staat mehr Geld zuschießen. Das bezahlen wir alle durch höhere Steuern.

[00:21:29]

Könnte natürlich auch ganz anders kommen.

[00:21:32]

Im besten Fall gibt's einen fairen Lohn für Pflegekräfte und die machen ihren Job dann auch viel lieber. Und die gute Laune tut auch den Menschen in ihren Krankenbetten und im Altersheim gut. Und weil der Pflegeberuf attraktiver ist, entscheiden sich mehr junge Menschen dafür. Sie können auch studieren und dann mehr ärztliche Aufgaben übernehmen. Endlich fehlen keine Fachkräfte mehr und es wird zusätzliches Personal eingestellt. Denn die Pflegekräfte haben sich inzwischen in einer Gewerkschaft organisiert und erfolgreich Druck für bessere Arbeitsbedingungen gemacht. Das kostet zwar alles Geld, aber es gab eine grundlegende Reform.

[00:22:05]

Was bei kleinen Krankenhäusern und doppelten Untersuchungen gespart wird, fließt in die Pflege. Trotzdem braucht es einen Steuerzuschuss und höhere Versicherungsbeiträge. Das zahlen wir aber, weil uns gute Pflege etwas wert ist.

[00:22:18]

Pflegerinnen und Pfleger werden auf jeden Fall händeringend gesucht, gerade bei mir in Neukölln. Da hängt an einem Haus ein riesiges Plakat. Pflegefachkraft gesucht. Wir freuen uns auf dich. Ein großes Herz dazu. Soweit geht das mittlerweile schon. So schwierig ist es überhaupt, jemand zu finden.

[00:22:33]

Und deshalb muss unser Szenario eigentlich über kurz oder lang auf irgendeine Art Wirklichkeit werden. Wir freuen uns auf jeden Fall über eure Meinungen zu unserem Podcast an. Mal angenommen. Tagesschau.de tagesschau.de: Und wer noch ein bisschen mehr zu dem Thema auch sich mal angucken will z.B. trifft er auch dort zwei unserer Protagonistinnen, die Krankenpflegerin und die Soziologin, kann sich die ARD-Doku abgeklatscht abserviert. Die vergessenen Coruña Helden ja nochmal eine ARD-Mediathek angucken.

[00:23:00]

Danke euch fürs Zuhören. Eine neue Folge von mal angenommen gibt's erst in zwei Wochen, denn wir machen ein bisschen Ostern. Ruhe für euch. Auch eine gute Zeit bis dahin macht's gut. Tja.