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Mal angenommen, Abgeordnete dürfen nichts mehr dazuverdienen, haben Lobbys dann weniger Einfluss auf die Politik? Oder will kein Mensch mehr in den Bundestag?

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Hallo, ich bin Sophie von der Tann. Moin, ich bin Maser Eberlein Wir hier im ARD-Hauptstadtstudio spielen ja jede Woche im Podcast ein Zukunftsszenario durch. Diesmal geht es uns um Lobbyismus und Nebeneinkünfte von Abgeordneten im Bundestag.

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Und das ist ja gerade ein großes Thema. Selbstbereicherung durch Masken, Deals, Lobbyarbeit für den Staat Aserbaidschan. Wir wollen heute mal ein Szenario durchspielen, das eine sehr klare Antwort wäre auf die Fragen nach Nebeneinkünften von Abgeordneten. Wir nehmen nämlich einmal an, dass Abgeordnete im Bundestag einfach gar nichts mehr dazu verdienen dürfen.

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Wenn das so käme, dann könnte sich die Tagesschau in der Zukunft vielleicht mal so hier anhören.

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Im Bundestag werden in dieser Legislaturperiode kaum noch Anwälte und Unternehmer sitzen. Seit Nebeneinkünfte verboten sind, ist ein politisches Mandat für Selbstständige und Freiberufler deutlich unattraktiver geworden. Wirtschaftsverbände kritisieren die Regelung, Politik werde dadurch vom echten Leben abgeschottet.

[00:01:21]

Das wirklich so? Was wäre, wenn Abgeordnete nichts mehr dazuverdienen dürften, wenn sie im Bundestag sitzen? Das schauen wir uns in dieser Folge an. Und eins ist ziemlich schnell klar Einigen würde ordentlich Geld verloren gehen.

[00:01:35]

Circa ein Drittel der Abgeordneten im Bundestag haben aktuell einen Nebenjob, mit dem sie was dazuverdienen. Und das Geld würde wegfallen, wenn unser Szenario Wirklichkeit wäre.

[00:01:44]

Für Karin Marck z.B. von der CDU sind zirka 5 000 Euro jährlich. Brauchen Sie denn das Geld, was Sie da bekommen? Das ganz sicher nicht. Ich habe ein auskömmliches Einkommen als Abgeordnete.

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Dann könnten Sie auch locker drauf verzichten. Es ist keine Frage.

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In der Tat, 5 000 Euro pro Jahr verdienen Sie zusätzlich. Das ist ja jetzt auch nicht so viel.

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Nee, nee, also das sind Peanuts im Vergleich zu dem, was da manche andere verdienen und was denen verloren gehen würde. Peter Ramsauer zum Beispiel von der CSU. Der ist einer der Großverdiener im Bundestag, ehemals Verkehrsminister und Bauminister. Der hatte in den letzten drei Jahren neben seinem Job im Bundestag noch Einkünfte in Höhe von fast 900 000 Euro. Also heruntergebrochen aufs Jahr wären das dann 300 000 pro Jahr. Das ist schon eine ganz schöne Stange Geld.

[00:02:38]

Das ist mal eine Ansage. Das ist ja auch deutlich mehr als ein Abgeordneter verdient.

[00:02:44]

Ja viel mehr pro Monat kriegt man da ja rund 10 000 Euro brutto als MdB, also als Mitglied des Bundestages. 120 000 Euro im Jahr. Sind das mehr als doppelt so viel? Hat Peter Ramsauer nochmal an Nebeneinkünften gehabt?

[00:02:58]

Womit hat er das denn verdient? Als strategischer Berater einerseits. Wen genau er da berät, das wissen wir nicht. Das muss er nicht offen angeben. Und Peter Ramsauer sitzt neben seinem Job im Bundestag auch noch in Gremien von Unternehmen. Zum Beispiel ist er Chef des Aufsichtsrats in einem bayerischen Bauunternehmen.

[00:03:15]

Auf abgeordnetenwatch.de findet ihr übrigens eine Liste, wo die ganzen Abgeordneten mit ihren Nebeneinkünften aufgeführt werden und ganz weit oben stehen, da traditionell immer Abgeordnete mit Unternehmen und Selbständige z.B. Bioland wird. Die sind aber auch deswegen so weit oben, weil sie ihre Brutto Umsätze angeben müssen. Die können dann gerade bei so einem Landwirt oft höher sein, als was nach Abzug aller Kosten dann auch wirklich auf dem Konto landet.

[00:03:41]

Also die Umsätze, nicht die Gewinne. In anderer Topverdiener ist übrigens Christian Lindner, der FDP-Chef. Der hat in drei Jahren über 400 000 Euro Nebeneinkünfte gehabt. Vor allem durch Vorträge hat er das Geld gemacht. So was wie Kamingespräch, zum Beispiel bei Banken oder Unternehmensberatung.

[00:03:59]

Und jetzt warten wir alle natürlich auf einen Tonfall und fragen uns Warum hast du nicht mit Herrn Lindner oder Herrn Ramsauer gesprochen? Hätte ich gerne, hätte ich gerne. Aber Christian Lindner hat abgesagt und Peter Ramsauer hat gar nicht reagiert. Und auch andere Männer aus der Union, die viel dazu verdienen. Die hab ich angefragt. Aber die haben entweder abgesagt oder die Anfrage gleich ignoriert.

[00:04:21]

Aber Karin Marg, die wollte mit dir sprechen. Ja, da war ich auch sehr dankbar für. Und an dem Punkt sollten wir auch nochmal klarmachen, dass da jetzt nicht der falsche Eindruck entstehen sollte, den Frauen im Bundestag, die haben deutlich seltener Nebenjobs. Oder herum gesagt, Männer hätten viel mehr finanzielle Einbußen, wenn es wirklich so kommt wie in unserem Szenario.

[00:04:39]

Wenn also Nebenjobs komplett verboten werden. Und Karin Mark verdient eben in Anführungszeichen auch nur 5000 Euro pro Jahr dazu. Ja, aber sie ist aus meiner Sicht ein interessanter Fall, weil ihre Nebenjobs schon Fragen aufwerfen. Sie ist gesundheitspolitische Sprecherin für CDU und CSU im Bundestag und zwei von den drei Nebenjobs, die sie hat, sind auch im Bereich Gesundheit. Sie berät die David H. Medical Group. Das ist ein Medienunternehmen, das Dialyse Zentren betreibt, also künstliche Blutwäsche, wenn die Nieren nicht mehr ordentlich funktioniert.

[00:05:11]

Und sie kriegt auch Geld von der Armenier, Krankenkasse, Halep, Armenier.

[00:05:16]

Da ist es mir ganz persönlich eine große Ehre. Seit circa zehn Jahren Teil des Beirats zu sein. Das sind Vertreter von Wissenschaft, Industrie, Kultur. Und wir befassen uns mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen. Das sind kontroverse Diskussionen, die die eigene Ansicht schärfen, insbesondere bei mir. Ich bin Juristin, ich bin Gesundheits Politikerin, auch Wirtschaftspolitik. Sie ist nicht auf Themen schärfen und das kann ich bei meiner Arbeit in der Politik insgesamt sehr gut gebrauchen.

[00:05:51]

Jetzt sind Sie gesundheitspolitische Sprecherin von CDU und CSU im Bundestag und Sie bekommen Geld von einem Medienunternehmen und einer Krankenversicherung. Sehen Sie da einen Interessenkonflikt?

[00:06:01]

Also ich vertrete nicht die Unternehmen oder organisiere irgendwas für sie, sondern das sind Gremien, die auf Austausch gerichtet sind, wo sich die Mitglieder jeweils gegenseitig befruchten, diskutieren, wie man etwas verbessern kann. Da sehe ich keinen Interessenskonflikt. Im Gegenteil. Ich finde, es bereichert meine Arbeit. Sie haben gesagt, dass auch Sie davon profitieren, wenn sie in diesen Gremien sind und dann nochmal mehr auch die unternehmerische Perspektive mitgeteilt bekommen. Das heißt, Sie werden durch die Diskussionen, die dort geführt werden, auch beeinflusst in dem, was Sie im Bundestag sagen.

[00:06:37]

Nein, ich lerne dazu. Ich bin Juristin von Beruf. Ich bin im Gesundheitsbereich tätig. Aber warum jetzt ein Unternehmen in einer bestimmten Art und Weise halten? Jetzt gehen wir zum Armenier. Ob das System Cranko Feuerversicherung weiterhin ein Thema ist, was spannend ist und ob sich der Trend nicht in Richtung Zusatzversicherungen verselbstständigt. Das ist das, was ich lernen.

[00:07:04]

Das macht ja alles Sinn, dass sie sich da informieren will. Aber warum muss sie dafür bezahlt werden? Als wäre auch ohne Geld wirklich?

[00:07:11]

Absolut. Das hat sie auch zugegeben. Auch in unserem Szenario. Ohne Nebenjobs wie ihren könnte sie sich natürlich solche Infos weiterhin besorgen und bekommt sie ja auch sonst von anderen Einfluss Gruppen. Aber mein Eindruck war, sie sieht das einfach so. Es ist legal. Die Unternehmen haben ihr Jobs angeboten in Beiräten und bezahlen sie dafür, so wie alle anderen Mitglieder in diesen Beiräten auch. Also macht sie es eben.

[00:07:35]

Es ist ja auch legal. Also man muss es nur anzeigen. Ja, sie muss jeden Nebenjob offiziell dem Bundestag melden. Das hat sie auch gemacht und ab 1 000 Euro wird es dann veröffentlicht auf ihrer Website beim Bundestag. Nicht auf Euro und Cent, genau, aber in Stufen, also 1 000 Euro bis 3500, 3500 bis 7000 usw.. Bei Karin Mark steht dann zum Beispiel da Vita Medical Group im Jahr 2020 Stufe 2.

[00:08:02]

Und wichtig ist bei Nebenjobs von Abgeordneten, dass das Mandat, also die Arbeit, die politische Arbeit im Bundestag trotzdem weiterhin im Mittelpunkt stehen muss von dem, was der Abgeordnete oder die Abgeordnete eben macht. Das sagt das Gesetz. Wie viel Ihrer Zeit frisst das denn? Bei Karin mag diese Arbeit in den Beiräten ja bei anderen Abgeordneten.

[00:08:23]

Da stellt man sich schon die Frage, finde ich, wie kriegen die das überhaupt noch hin? Den Nebenjob zu machen neben ihrer Arbeit im Bundestag. Aber bei ihr sind das für die beiden Nebenjobs im Gesundheitsbereich jeweils nur ein oder zwei Treffen im Jahr, hat sie mir gesagt.

[00:08:36]

Ja gut, da könnte man sagen, das ist ja nicht so schlimm. Also von ihrer Zeit im Bundestag geht da wenig ab. Und wie Sie ja auch selbst gesagt hat Sie vertritt die Unternehmen ja nicht. Sie tauscht sich nur mit denen aus und bekommt da eben nochmal 5 000 Euro dazu. Ja, aber wofür genau kriegt sie das Geld? Was erhoffen sich die Unternehmen davon? Sie hat mir dazu gesagt, sie sitzt da drin in diesen Beiräten, als jemand, der das Gesundheitssystem gut kennt, also als Expertin quasi.

[00:09:03]

Timo Lange von LobbyControl, einer Initiative, die sich für Transparenz einsetzt, in Lobby fragen. Der sieht das etwas anders.

[00:09:10]

Das beobachten wir immer wieder dass Unternehmen auf Abgeordnete zugehen und sie dann in Beiräte holen oder auch einfach nur zu einem Vortrag einladen, der dann teilweise auch hoch dotiert wird. Eben nicht, weil sie so tolle Expertinnen und Experten in dem Themenfeld sind, sondern explizit, weil sie Abgeordnete sind. Also man hat dann einfach einen ganz direkten Draht zur Politik und Frau Mack muss sich da die Frage gefallen lassen Muss das denn sein?

[00:09:39]

Sie ist halt auch nicht irgendwer im Bundestag, sondern die Sprecherin für Gesundheit bei der CDU und CSU, also bei der größten Fraktion, die auch gerade mitregiert. Ja, man könnte argumentieren, dass durch die Nebenjobs dann zwei Unternehmen, da Vita und Armenier in dem Fall einen exklusiven besseren Zugang zu ihr bekommen als andere. Den haben sie vielleicht in ihrer Meinung beeinflussen, vielleicht auch ohne dass sie das merkt und dass diese Unternehmen durch sie auch einen exklusiven Zugang zu Infos aus dem Ausschuss haben.

[00:10:10]

Wobei Karin Marg sagt ich rede mit allen wichtigen Akteuren das Gegenargument da wäre dann naja, sie kriegt halt von zweien direkt Geld. Ja und da sind wir ja beim großen Thema Lobbyismus. Lobbyismus heißt ja erstmal nur, dass das, was eine bestimmte Gruppe politisch will, an Abgeordnete vermittelt wird durch Lobbyisten. Ob das jetzt der Bauernverband ist, ein Unternehmen oder Greenpeace oder LobbyControl. Genau. Also die sind ja letztlich auch eine Lobbygruppe für Transparenz eben. Lobbyismus ist an sich auch ein ganz wichtiger Bestandteil der Demokratie.

[00:10:44]

Abgeordnete sollen ja die Interessen kennen, die es im Land gibt und Lobbygruppen sind auch dazu da, sie darüber zu informieren. Problematisch wird es dann, wenn einige Gruppen da deutlich mehr Einfluss haben als andere. Das Thema Lobbyismus gäbe auf jeden Fall Stoff für mehrere Podcast Folgen. Wir konzentrieren uns heute aber auf das Thema Nebeneinkünfte von Abgeordneten. Also lasst mal dahin zurückgehen. Und da ist eine Frage, die ich mir stelle Welche Parteien würden in unserem Szenario, wenn es keine Nebeneinkünfte mehr gibt, dann eigentlich am meisten darunter leiden?

[00:11:16]

Sozusagen? Für wen würde sich am meisten ändern? Abgeordnete der FDP auf jeden Fall. Denn knapp über die Hälfte haben da Nebenjobs, die sie dann aufgeben müssen. Die CSU würde auch sich umstellen müssen, da hat die Hälfte Nebenjobs von den Abgeordneten. Bei der CDU ist es etwa ein Drittel und am wenigsten würde sich für die Grünen im Bundestag ändern. Denn die haben ganz selten Nebenjobs. Die Tatsache, dass vor allem Abgeordnete aus der FDP und Union Nebeneinkünfte haben, die hängt natürlich auch damit zusammen, dass für die FDP und die Union mehr Juristinnen und Juristen im Bundestag sind als für andere Parteien und auch viel mehr Menschen aus der Wirtschaft.

[00:11:54]

Und man muss auch noch einmal klarstellen Wir haben ja über Peter Ramsauer gesprochen und Christian Lindner die Champions League, der dazuverdient sozusagen. Das sind am Ende nur wenige. Nur 15 Abgeordnete im Bundestag haben Nebeneinkünfte. Die sind, wenn man grob aufs Jahr herunterbricht, höher als das, was sie mit ihrem eigentlichen Job im Bundestag verdienen.

[00:12:14]

Also 15 Abgeordnete, die mehr als 120 000 Euro im Jahr an Nebeneinkünften haben. Wie sieht es da drunter aus?

[00:12:23]

Da gibt's dann einen Mittelfeld. Sagen wir mal, das sind so circa 100 Abgeordnete, die kriegen mehr als 10 000 Euro dazu. Und die große Mehrheit. Aber über 80 Prozent verdient nix oder eher wenig dazu.

[00:12:36]

Also ein paar Top Player sind ein kleines Mittelfeld und ganz viele, die eher am Seitenrand sitzen, um mal hier in diesen tollen Fußball Metal-Fans zu bleiben. Und viele machen eben als Nebenjob einfach die Jobs weiter, die sie vor ihrer Zeit im Bundestag auch schon gemacht haben, um da eben ein Standbein zu behalten. Als Ärztinnen und Ärzte zum Beispiel. Oder als Unternehmerinnen und Unternehmer.

[00:13:11]

Für ganz viele Abgeordnete würde sich also nicht viel ändern. Mit unserem Szenario, weil die meisten entweder keinen Nebenjob haben oder kaum was dafür bekommen.

[00:13:21]

Ich verdiene sehr wenig damit und schaffe es eben auch zeitlich bei der ja umfangreichen Arbeit als Bundestagsabgeordnete. Schaffe ist auch nicht so viel zu verdienen, dass ich tatsächlich noch Gewinn aus der anwaltlichen Tätigkeit generieren könnte.

[00:13:40]

Das ist Canan Bayram. Sie ist für die Grünen im Bundestag und arbeitet nebenbei manchmal noch als Rechtsanwältin. Und ich habe sie gefragt, was es für sie bedeuten würde, wenn sie das aufgeben müsste.

[00:13:51]

Ja, das ist natürlich etwas, was mich als Politikerin auch in meiner Unabhängigkeit erschüttern würde. Denn eigentlich ist es für mich wichtig, dass ich als Rechtsanwältin einen Beruf habe, der mich gegenüber meinem politischen Mandat auch unabhängig macht. Also wenn eben der Punkt erreicht ist, wo die politischen Umstände von mir Entscheidungen abverlangen würden, die ich nicht vertreten will oder mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann, dann würde ich eben für mich entscheiden. Tatsächlich auch aus der Politik rauszugehen. Diese Möglichkeit halte ich mir natürlich auch offen, indem ich eben sage Politik ist nicht alles.

[00:14:35]

Ich habe auch einen Beruf gelernt und ja, dann müsste ich halt meine Zulassung wieder neu beantragen.

[00:14:41]

Was denken Sie denn, würde unser Szenario im Parlament verändern?

[00:14:45]

Also die Sorge, die ich mir tatsächlich mache, wenn man die Dinge ausschließt und für unvereinbar miteinander erklärt, ist dann, dass gerade Menschen, die vielleicht gar nicht Politik so als erste Berufswahl hatten, sondern bei denen sich dann Politik entwickelt hat. So wie bei mir beworben mit 40 erst angefangen Beruf Politik in Betracht zu ziehen. Dass die dann sich dafür vielleicht nicht interessieren würden, weil man so mit allem brechen muss, was man sonst an beruflicher Tätigkeit, auch an Leidenschaft für den Beruf, den man mal gelernt und übernommen hat, aufgeben müsste.

[00:15:23]

Und ich sehe die Gefahr, dass wir dann eine politische Klasse bekommen, indem Leute sich eben für den Beruf Politik entscheiden und aus diesem dann auch nicht mehr ausscheiden. Also für mich wäre es dann unattraktiver, gebe ich ehrlich zu.

[00:15:38]

Also so Anwältinnen und Anwälte wie Canan Bayram. Die gäbe es dann in unserem Szenario vielleicht weniger im Bundestag. Ja, also vermutlich wäre sie zumindest nicht auf die Idee gekommen, mitten in ihrem Berufsleben zu sagen Ich steige jetzt mal aus und macht Politik. Weil wenn sie dann zum Beispiel nicht mehr wiedergewählt werden würde, dann wäre es halt auch viel schwieriger, wieder einzusteigen in ihren Job. Und sie glaubt, dass in unserem Szenario, wenn man keine Nebeneinkünfte mehr haben darf, wenn es sie nicht gäbe, als Anwältin im Bundestag, das dem Bundestag da was verloren gehen würde.

[00:16:10]

Natürlich ist es für mich als Anwältin leichter Gesetze zu schreiben, weil ich weiß, wie Gesetze gehen. Ich habe in Bundesministerien Gesetze geschrieben. Ich habe als Rechtsanwältin Gesetze angewendet und tue mich leichter damit, ein gutes Gesetz zu schreiben, als vielleicht jemand, der das noch nie gemacht hat. Und professionell fitte Leute, die wirklich gute Gesetze schreiben, sollten nicht sozusagen aus den Parlamenten vertrieben werden, in denen man das unattraktiv macht für sie.

[00:16:42]

Andererseits gibt's im Bundestag ziemlich viele Juristinnen und Juristen. Jeder Sechste im Bundestag hat Jura studiert, deutlich mehr als in der deutschen Bevölkerung insgesamt. Und potenzielle Interessenkonflikte kann es in dem Gebiet auch geben. Nur wir wissen vielleicht nichts davon. Weil wenn Juristinnen und Juristen weiterhin als Anwälte arbeiten zum Beispiel müssen sie aktuell nicht angeben, wer ihre Mandanten sind. In jedem Fall würde sich einiges ändern im Bundestag, wenn diese ganzen Juristinnen und Juristen da nicht mehr sitzen. Ich habe mich gefragt, wer würde denn dann stattdessen in den Bundestag einziehen?

[00:17:18]

Darüber habe ich mit Sophie Schönberger gesprochen. Sie ist Professorin für Öffentliches Recht an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf.

[00:17:25]

Also ganz leicht hätten es natürlich Beamte. Die sind ja immer privilegiert, denn die werden schlicht und ergreifend beurlaubt. Die gehen überhaupt gar kein Risiko ein und können, wenn das Mandat endet, einfach in ihren Beruf zurück. Das würde sicherlich für Beamte nochmal das Ganze attraktiver machen. Die Leute, die allerdings erst einmal in der freien Wirtschaft oder in ähnlichen Bereichen Karriere gemacht haben und danach in die Politik gehen wollen, vielleicht auch nur vorübergehend in die Politik gehen wollen, die es deutlich schwerer.

[00:17:51]

Also sowas wie Handwerker, Ärzte, Juristen glauben. Die Menschen, die in solchen Jobs arbeiten, die würden dann alle wegfallen oder was könnte man sich da beispielsweise vorstellen? Wer würde da fehlen?

[00:18:02]

Also in der Tat gut, der klassische Handwerker fehlt ohnehin im Bundestag. Der ist wirklich ganz, ganz deutlich unterrepräsentiert. Juristen haben. Im Bundestag im Moment genug, aber tatsächlich sehr viele, auch verbeamtete Juristen. Aber der klassische Freiberufler, also Rechtsanwälte, Ärzte z.B., für die wird es deutlich schwieriger, aber auch Menschen, die in Unternehmen Karriere machen, in ganz verschiedenen Bereichen Naturwissenschaftler, den Unternehmen arbeiten. Die haben es natürlich deutlich schwieriger, wenn sie wirklich ihr komplettes Berufsleben an den Nagel hängen müssten und gar keine wirtschaftlichen Beziehungen mehr zu ihrem Arbeitgeber pflegen dürfen.

[00:18:39]

Was wäre denn das Problem daran, wenn die fehlen? Es wäre insofern ein großes Problem, weil dann die Repräsentativität der Abgeordneten noch weiter abnimmt. Schon jetzt ist es ganz klar der Querschnitt, der da im Bundestag sitzt oder in den Landesparlamenten. Das ist kein Querschnitt der Bevölkerung. Und das muss auch nicht genau die Bevölkerung abbilden. Aber wir haben natürlich schon in der Demokratie die Idee, dass verschiedene Menschen mit verschiedenen Hintergründen eben auch verschiedene Interessen, die in der Bevölkerung vorhanden sind, in das Parlament einbringen und deswegen einfach am Ende besser fürs Gemeinwohl sorgen können.

[00:19:17]

Denken Sie denn, es gäbe weniger Lobbyismus und Bestechung Skandale in unserem Szenario, wenn Abgeordnete keine Nebentätigkeiten mehr ausüben dürfen, wenn sie nichts mehr daneben dazuverdienen dürfen?

[00:19:29]

Natürlich ist das Risiko dieser wirtschaftlichen Interessenkonflikte reduziert, wenn man die Nebentätigkeiten verbietet. Das ist ganz klar. Wenn ich keine wirtschaftlichen Loyalitäten an einen Arbeitgeber oder einen Auftraggeber habe, dann ist das sozusagen eine Möglichkeit von undemokratischen Einfluss, die ausgeschlossen wird. Ganz abgeschafft wird das Ganze dadurch natürlich nicht. Denn es gibt auch noch viele andere Möglichkeiten jenseits solcher beruflichen Beziehungen, wie ich illegitimen finanziellen Einfluss ausüben kann.

[00:20:00]

Ja, das sagt auch LobbyControl z.B.. Es gibt natürlich auch in unserem Szenario weiterhin Möglichkeiten für Lobbygruppen Einfluss zu nehmen. Parteispenden z.B. auch wenn die offiziell nicht gezahlt werden dürfen, um eine bestimmte Gegenleistung dafür zu bekommen. Oder eben das direkt einen Lobbyist vorbei geschickt wird, der mit den Abgeordneten spricht und versucht sie zu überzeugen. Oder Abendveranstaltungen oder Reisen, die bezahlt werden. Das sind alles so potenzielle Einfallstore für Einfluss von außen.

[00:20:29]

Ok, klingt aber zumindest so, als wenn unser Szenario helfen würde. Interessenkonflikte und die Auswüchse des Lobbyismus. Also wenn bestimmte Interessengruppen besonders viel Einfluss nehmen einzudämmen, hab ich gedacht. Und dann werden wir, die Jura-Professor Sophie Schönberger, das hier gesagt.

[00:20:47]

Ob das rechtlich möglich wäre, ist eine schwierige Abwägung. Frage Weil Sie natürlich auf der einen Seite das freie Mandat haben, das den Abgeordneten in seiner Freiheit auch seine Mandats Beziehung mit seinem anderen Leben zusammen zu bringen, schützt. Und auf der anderen Seite haben Sie dieses legitime Interesse zu sagen Ich möchte nicht, dass illegitimer wirtschaftlicher Einfluss auf die manda Tätigkeit ausgeübt wird. Das ist dann am Ende eine Abwägung Entscheidung, die verbindlich das Bundesverfassungsgericht treffen würde. Ich bin nicht das Bundesverfassungsgericht, aber meine Prognose wäre, dass das Bundesverfassungsgericht das eher nicht für verfassungskonform halten würde.

[00:21:27]

Aber bei anderen Jobs kann das ja auch eingeschränkt werden.

[00:21:30]

Was man nebenbei noch dazuverdient, also in anderen Jobs gibt es Grenzen. Und in der Tat, es wäre sicherlich auch möglich, das stärker zu begrenzen. Nur ist vollkommen zu verbieten. Das wäre schwierig, weil die Tätigkeit des Abgeordneten eben eine andere ist. Und das hängt da hängt damit zusammen, dass es letztlich ziemlich schwierig ist, die Grenze zu ziehen beim Abgeordneten zwischen illegitimen Einfluss und legitimer und gewünschter Offenheit für gesellschaftliche Realität und gesellschaftliche Einflüsse. Wir wollen auf der einen Seite, dass die Abgeordneten wissen, wie es ist, im Leben stehen, in der Gesellschaft stehen und gleichzeitig wollen wir sie aus der Gesellschaft ein bisschen rausnehmen, weil wir eben nicht wollen, dass Einzelgruppen illegitimen Einfluss auf die Abgeordneten nehmen.

[00:22:19]

Das ist ein Spannungs Feld, das man nicht einfach auflösen kann, weil beides gleichzeitig kann ich nicht haben, sondern da muss ich irgendwie einen Ausgleich finden und diesen Ausgleich so radikal zu treffen, dass man sagt, es darf überhaupt gar keine Nebentätigkeiten geben. Das wäre, wie gesagt meine Vermutung eine so radikale Lösung, dass das Bundesverfassungsgericht das wahrscheinlich nicht mitmachen würde.

[00:22:43]

Da haben wir uns jetzt lange Zeit ein Szenario angeschaut, was rechtlich in Deutschland wahrscheinlich scheitern würde. Aber wie sieht es denn eigentlich in anderen Ländern aus? Haben wir uns gefragt. Vielleicht gibt's da ja Modelle, die interessant sind. Timo Lange von LobbyControl hab ich dazu gefragt.

[00:23:00]

Man kann die schönsten Regeln haben, aber wenn die nicht so richtig gut überprüft werden, dann bringt das auch alles nichts. Und da ist z.B. Kanada ziemlich gut. Die haben dann einen eigenen. Kommendes Jahr nennt sich das da für Interessenkonflikte, die dann auch einerseits die Abgeordneten beraten können, wenn sie tatsächlich von sich aus schwierige Konstellation haben durch privates Vermögen et cetera, dann aber auch Untersuchungen durchführen können und diese Regeln einfach viel stärker als in Deutschland der Fall ist, durchsetzen können.

[00:23:33]

Man hat auch in anderen Ländern durchaus stärkere Einschränkungen bei den Nebentätigkeiten, also in den USA oder auch in Litauen. Da wird sehr viel weniger zugelassen an privaten Nebentätigkeiten und auch im Europäischen Parlament. Da hat man schon klar die Regel Lobby Tätigkeit neben dem Mandat. Das geht nicht. Da kann man sich durchaus orientieren.

[00:23:55]

Eine andere Möglichkeit, was zu ändern wäre natürlich, mehr Transparenz zu schaffen. Dass man also schneller sehen kann, wenn eine Nebenjob möglicherweise anrüchig ist. Union und SPD verhandeln da ja gerade drüber über mehr Pflichten zum Offenlegen von Einkünften. Und manche Nebenjobs könnten vielleicht auch bald ganz verboten werden, wenn Abgeordnete zum Beispiel noch direkte Lobbyarbeit machen. Für einen Verband zum Beispiel. Sowas könnte verboten werden. Vielleicht wisst ihr da jetzt in dem Moment, indem er den Podcast hört, schon mehr als wir jetzt Nebenjobs ganz zu verbieten.

[00:24:29]

Das ist rechtlich schwierig, haben wir gehört. Aber, und das hat Sophie Schönberger ja auch nochmal bestätigt. Es gibt Wege, diese Nebenjobs zumindest einzuschränken.

[00:24:39]

Ja, das glaubt Timo Lange von LobbyControl auch. Der könnte sich z.B. vorstellen, dass man Nebeneinkünfte deckelt, also dass Abgeordnete zum Beispiel maximal nur noch so viel dazuverdienen dürfen, wie sie im Bundestag kriegen. Oder man sagt, sie dürfen nur noch Jobs weitermachen, die sie vor dem Bundestag auch schon hatten, aber eben keine neuen annehmen.

[00:25:04]

So, das war wieder ganz schön viel heute. Lasst uns nochmal zusammenfassen, wenn es wirklich so käme wie in unserem Szenario und Abgeordnete im Bundestag dürften wirklich keine Nebenjobs mehr haben, dann haben uns alle Expertinnen und Experten gesagt, dann wäre ein Weg versperrt, auf dem Interessengruppen Politik beeinflussen können. Und es würde sich aber wahrscheinlich auch die Zusammensetzung des Bundestages ändern.

[00:25:27]

Und das könnte man einerseits so sehen Im Bundestag sitzen dann fast nur noch Berufspolitikerin und Berufspolitiker, vor allem Beamte, kaum noch Selbständige. Für viele von denen wäre es nämlich zu riskant, aus dem Berufsleben komplett auszusteigen und in die Politik zu wechseln. Das ist ein Problem, weil sich dann eine politische Klasse bildet, die ihr Leben lang kaum was anderes als Politik macht und kennt. Die Abgeordneten sind dann noch mehr darauf angewiesen als jetzt, dass sie wiedergewählt werden. Und sie haben kaum Berufserfahrung und verlieren den Bezug zum Leben außerhalb des Parlaments.

[00:26:04]

Klar, ohne einen Nebenjob z.B. als Berater für ein Unternehmen mag ein Abgeordneter unabhängiger von deren Interessen werden. Aber wer sich Einfluss auf Politikerinnen und Politiker kaufen will, der findet andere Wege.

[00:26:18]

Andererseits könnte man die Folgen unseres Szenarios aber auch so bewerten Wenn Abgeordnete keine Nebenjobs mehr machen dürfen, dann gäbe es weniger Interessenkonflikte. Also es gäbe nicht mehr die Frage Vertritt ein Abgeordneter jetzt eine bestimmte Meinung, weil sein Nebenjob ihn da beeinflusst oder weil er einfach selbst davon überzeugt ist? Verbände, Unternehmen, andere Interessengruppen könnten natürlich weiterhin mit Abgeordneten sprechen. Aber sie könnten sich nicht mehr exklusiven Zugang kaufen zu Entscheidern und Entscheidern, indem sie ihnen Nebenjobs verschaffen. Ein weiterer Vorteil Abgeordnete hätten mehr Zeit und könnten sich voll und ganz auf ihren Job im Bundestag konzentrieren.

[00:26:56]

Manche Berufsgruppen wären dann da weniger vertreten, Anwältinnen und Anwälte zum Beispiel. Aber von denen gibt's im Bundestag aktuell ja eh sehr viele.

[00:27:04]

Ein komplettes Verbot von Nebenjobs, das ist allein rechtlich kaum möglich. Das haben wir gehört. Aber zwei Dinge könnte man machen Man könnte Nebenjobs einschränken und man könnte dafür sorgen, dass Abgeordnete viel mehr offenlegen müssen. Und das kann schon dabei helfen, dass wir besser wissen, was unsere Abgeordneten eigentlich genau machen. Wenn ihr Feedback habt zu dieser Podcastfolge oder zum Podcast generell, dann schreibt uns gerne eine E-Mail an.. Mal angenommen ARD-Tagesschau Punkt D Wir freuen uns. Das war's für heute von uns.

[00:27:34]

Nächste Woche gibt's eine neue Folge. Vielen Dank fürs Zuhören. Macht's gut.

[00:27:38]

Joe's.