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Herzlich willkommen zu Handelsblatt Today. Wir sprechen in rund 20 Minuten über aktuelle Nachrichten und deren Bedeutung für die Finanzwelt. Wir haben heute, Freitag, den 18. September, und ich bin Mari Abdel Asis D-Zug.

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So oder so ähnlich haben viele Menschen reagiert, nachdem klar war, dass Tesla es entgegen aller Erwartungen doch nicht in den P5 schafft. Kurz danach ist die Aktie um rund 20 Prozent gefallen. Nach Einschätzung von Händlern an der Börse haben zu diesem Kurssturz unter anderem die sogenannten Exchange Traded Funds, kurz ETFs, beigetragen. Warum? Weil die Kaufbereitschaft aller ETF Anbieter, die den P5 abbilden, nach dieser Nachricht schlagartig erlahmt ist. Sie alle standen in den Startlöchern und hätten in Summe jede Menge Tesla Aktien gekauft.

[00:01:10]

Aber eben nur, wenn die Erwartungen auch erfüllt worden wären. Also eine große Käufergruppe war mal eben so weggebrochen. Tesla hat es also nicht in den P5 geschafft. Und wenn ETF Anbieter die Aktie nicht kaufen, dann fehlt Tesla. Ein wichtiger Treiber an den Börsen, dachten sich viele Anleger und haben ihre Tesla Aktien daraufhin verkauft, was dem Kurs dann auch nicht unbedingt geholfen hat. Dieses Beispiel zeigt, wie groß der Einfluss von ETFs an den Börsen mittlerweile ist.

[00:01:42]

Die Indexfonds gelten als sichere und langfristige Geldanlage. Bereits heute steckt jeder siebte Euro, den die Deutschen in Fonds anlegen, in einem ETF. Welche Chancen und Risiken sie auf jeden Fall präsent haben sollten und ob grüne ETFs wirklich die Rendite drücken. Das erklärt Ihnen gleich unser Aktienanalyst Ulf Sommer. Und im Anschluss sprechen wir heute noch mit unserem Korrespondenten Ozan Demirkan über den andauernden Erdgas, Streit zwischen der Türkei und Griechenland. Worum geht es dort eigentlich wirklich? Warum mischt sich Deutschland ein?

[00:02:16]

Und wie lange wird Präsident Erdoğan dem Druck der EU noch standhalten? Zu Beginn schauen wir aber erst mal, was heute die Märkte bewegt. Mir zugeschaltet ist jetzt Jan Malin, einer unserer Finanza Redakteure in der Frankfurter Redaktion. Jan, welches Thema sorgt heute an den Märkten für Gesprächsstoff?

[00:02:38]

Heute hat vor allem der Kunststoff Hersteller Covestro für Aufsehen gesorgt. Die Aktie ist heute mit einem Plus von rund sieben Prozent der mit Abstand größte Gewinner im Dax.

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Was steckt hinter dieser Kursbewegung der Covestro Aktie? Ja, es hat Gerüchte gegeben über eine übernahmeofferte des US Finanzinvestors Apollo. Dazu hat Covestro heute Morgen mitgeteilt, dass sie nicht in Gesprächen sich mit Apollo befinden. Trotzdem hat es aber offenbar die Fantasie an der Börse angeregt und zu diesem Kursplus beigetragen.

[00:03:18]

Jetzt kam ja gerade auch noch die Eilmeldung, dass Tick, tack und EWZ ab Sonntag auf den Absturz in den USA verbannt werden sollen. Wie kommt das denn an den Märkten an?

[00:03:27]

Der Gesamtmarkt hat jetzt nicht so stark auf die Nachricht reagiert. Aktuell laufen ja Verhandlungen zwischen dem Think-Tank eigener Brütend und Oracle über eine übernahme der US Aktivitäten von tickte. Insgesamt zeigt es aber, dass der Ton zwischen China und den USA jetzt rauer wird und dass wir da auch mit Blick auf die US-Wahlen im November noch einiges erwarten können. Herzlichen Dank für ein Börsenblase!

[00:04:02]

Und bevor wir ins große Interview starten hier noch ein kurzer Hinweis für ein weiteres spannendes Handelsblatt Produkt Treffen Sie bessere Entscheidungen zu Ihren Finanzen?

[00:04:12]

Mit unserem Newsletter Handelsblatt Geldanlage Da erhalten Sie jede Woche aktuelle Empfehlungen zum Thema Geldanlage von Deutschlands bedeutendster Wirtschaftsredaktion. Mit uns können Sie Ihre Finanzen ideal aufstellen und auf die Entwicklung der Märkte bestmöglich reagieren. Informieren Sie sich jetzt unter Handelsblatt. Slash Geldanlage oder in den Schorf Notes?

[00:04:38]

ETFs sind computergesteuert und bilden die Entwicklung eines Index nach. Sie werden also nicht von einem Fonds Manager verwaltet und permanent angepasst. Daher auch die Definition eines passiv gemanagten Fonds. Die Verwaltungskosten sind somit vergleichsweise niedrig. Und weil ETFs über alle Alters und Berufsgruppen hinweg bei vielen, die sich für das Thema Geldanlage interessieren, immer beliebter werden, blicken wir jetzt mal tiefer rein in die Welt der passiven Indexfonds. Dazu haben wir unseren Aktienanalysten Ulf Sommer ins Düsseldorfer Studio geholt. Hallo?

[00:05:14]

Hallo? Der Absturz der Technologieaktien in den USA vor kurzem war die schnellste 100 Prozent Korrektur aller Zeiten. Und ETFs haben ihren Teil dazu beigetragen. Wie genau, wo besteht der Zusammenhang?

[00:05:27]

Den Zusammenhang gibt es bei den Technologiewerten, weil immer mehr Anleger haben ETFs. Und sie wissen damit gar nicht, dass sie damit auch vor allen Dingen Technologieaktien haben. Da habe ich einen ETF, auf den. Das sind fünf amerikanische Aktien. Dann habe ich ganz viele Anteile an Tesla und Apple und Co. Und als diese Aktien ins Straucheln gerieten, haben sehr, sehr viele verkauft als Kettenreaktion durch automatische Verkaufs Programme. Das waren überwiegend klarerweise ETFs, und so wurde die Lawine ausgelöst.

[00:05:58]

In zwei Sätzen vielleicht nochmal zur Klärung für alle, die noch nicht ganz im Thema sind. Was für ETFs gibt es? Mal ganz plakativ gefragt Was kann ich mit ETFs machen?

[00:06:08]

ETFs gibt es im Grunde auf alles auf alle Indizes, die man sich nur vorstellen kann, angefangen vom Dax P5, Nasdaq bis hin zu kleineren Indizes in Brasilien oder Argentinien. Ich setze damit auf einen gesamten Index. Beispielsweise wenn ich einen Dax ETF habe, habe ich Anteile an allen 30 Dax-Konzernen.

[00:06:28]

Wenn ich mich dann für einen ETF meiner Wahl entschieden habe, finde ich diesen ja oft zu verschiedenen Konditionen bei verschiedenen Brokern. Woran liegt das? Und wie finde ich den für mich besten Deal?

[00:06:39]

Ja, das ist mir auch aufgefallen, gerade beim ETF.

[00:06:43]

Weil da gibts ja nun unvorstellbar viele ETFs auf den Dax und die kosten auch bei meiner Bank unterschiedlich viel.

[00:06:52]

Das liegt daran, weil diese Anbieter mit den Banken oder mit den bohrkern unterschiedliche Verträge haben. Der eine bietet der Bank günstigere Konditionen an, der andere der Bank. Dadurch ergibt es sich, dass die Konditionen unterschiedlich sind.

[00:07:07]

Wie sieht es denn mit nachhaltigen ETFs aus? Was genau heißt in dem Fall nachhaltig?

[00:07:12]

Nachhaltig heißt das Die Unternehmen nachhaltig wirtschaften, ökologisch wirtschaften. Das heißt ein ETF, der nachhaltig ist. Da sind dann bestimmte Unternehmen nicht drin enthalten. Meistens. Dann sind das Rüstungskonzerne oder auch ölkonzerne.

[00:07:29]

Das bedeutet übersetzt, das grüne oder nachhaltige ETFs sich nicht nur auf umweltfreundliche Unternehmen beziehen, sondern dass auch die Ethik und die Moral eine Rolle spielt.

[00:07:40]

Zunehmend spielen auch viele weiche Faktoren eine Rolle, und das macht es ja gerade so schwierig, wo da die Grenze ist. Es gibt viele Unternehmen. Ein Rüstungskonzern oder ein Tabakkonzern ist in der Regel nie in solchen ETFs drin. Aber was ist mit Konzernen wie beispielsweise Bayer? Da sagen viele Die sind auch nicht nachhaltig, weil die jetzt von Monsanto übernommen haben. Ist Bayer jetzt nachhaltig oder ist Bayer nicht nachhaltig? Da sind die Grenzen wirklich fließend.

[00:08:07]

Das heißt, am Ende liegt es auch immer ein bisschen im Auge des Betrachters, was jetzt wirklich als nachhaltig verstanden wird. Bei Anlegern werden sie aber trotzdem immer beliebter. Die Grünen, ETFs und viele fragen sich im gleichen Atemzug, ob Grüne ETFs nicht auch die Rendite drücken.

[00:08:21]

Ja, das ist ein Reizthema. Das gibt es schon seit vielen Jahren. Da gibt es auch unglaublich viele Studien drüber. Ich halte von diesen Studien ehrlich gesagt nicht viel, weil sie immer schon sehr viele Studien mit ideologischen Scheuklappen verfasst worden sind. Da ist vorher schon die These vorgegeben Nachhaltig ist immer gleich besser. Fakt ist aber, dass nachhaltige Investments keineswegs auf Dauer schlechter abschneiden. Das liegt auch an einem ganz anderen Grund, weil nämlich immer mehr Anleger und immer mehr Fondsmanager Aktien von Unternehmen meiden und meiden müssen, die nicht nachhaltig sind.

[00:08:58]

Also, es gibt ganz viele Fonds, da sind Rüstungskonzerne und Tabakkonzerne gar nicht mehr drin, sodass diese Aktien dann auch tatsächlich schlechter laufen.

[00:09:07]

Nun könnte ich mich ja auch entscheiden, in Fonds zu investieren.

[00:09:11]

Was ist die Alternative zu ETFs? Das ist ja auch der, was es immer schon gab. Man soll meinen, dass ein Fonds, der von einem Profi geleitet wird, der sich exakt mit der Börse auskennt. Dass solche Fonds besser laufen. Das ist aber in der Realität ganz schwer zu schaffen. Ein Index nun ebenso mit einem Fonds zu schlagen.

[00:09:31]

Ist das der Grund, warum ETFs so beliebt sind? Das ist zum einen, weil sie. Sehr erfolgreich sind. DAX legt mal eben schnell eine jahresperformance von 20 30 prozent in sehr guten Jahren hin. Das schafft aber kaum. Und warum sie auch so beliebt sind, ist, dass sie extrem niedrige Gebühren im Vergleich zu einem Fonds haben, das gar nicht so sehr die Ausgabeaufschläge, die bei einem zwischen zwei und fünf Prozent schwanken. Nein, was noch viel schwerer ins Gewicht fällt, sind die jährlichen laufenden Verwaltungsgebühren.

[00:10:05]

Die liegen bei einem Fonds zwischen ein und zwei Prozent. Bei einem ETF meistens bei 0,1 0,2, maximal 0,3 Prozent. Und das summiert sich auf Sicht mehrerer Jahre ganz gehörig. Und das drückt empfindlich die Rendite. Wenn ich da einen Fonds habe, der 1,5 oder 2 Prozent Verwaltungsgebühren hat, also die Vorteile haben auf jeden Fall ihre Daseinsberechtigung.

[00:10:27]

Und nicht umsonst gelten Indexfonds für Kleinsparer als sichere Alternative zu z.B. Einzelaktien. Aber trotzdem ist nicht jeder ETF eine sichere Bank.

[00:10:37]

Es gibt auch Risiken, zum Beispiel die ja zweifellos ein Risiko. Das sollte auch noch erwähnt werden. Bei einem ETF habe ich das sogenannte Emittentenrisiko, das heißt der ETF Anbieter pleite. Das ist zwar sehr unwahrscheinlich, aber dann ist auch mein ETF futsch. Das ist beim Fonds nicht geschützt. Aber was du angesprochen hast mit diesen High Yield ETFs? Da kaufe ich mir praktischen ETF ein mit Unternehmensanleihen, die hoch risikoreich sind. Also die bieten Zinsen von vier, fünf, sechs oder noch mehr Prozent.

[00:11:10]

Aber ich muss dabei wissen Das sind Unternehmen, die finanziell äußerst angeschlagen sind. Und da ist die Wahrscheinlichkeit oder das Risiko, dass die Pleite gehen, sehr, sehr viel höher als bei herkömmlichen Anleihen, mit denen ich nur ein, zwei Prozent bekomme.

[00:11:25]

Kann man also sagen, dass diese ETFs an der Grenze zur Seriosität kratzen? Und weiter gefragt Wo werden diese jetzt angeboten? Werden Sie überall angeboten?

[00:11:36]

Also unseriös? Auf gar keinen Fall. Im Gegenteil. Auch solche ETFs muss es geben. Es muss ja die Möglichkeit bestehen, auch auf Anleihen zu setzen, die hoch riskant sind, die aber hohe Zinsen bieten. Das ist keineswegs unseriös. Ich musste als Anleger einfach nur wissen, was ich mir da ins Depot hole und einkaufe.

[00:11:54]

Welche Rolle spielen denn die ETF Anbieter im weltweiten Finanzsystem?

[00:11:59]

Eine große Rolle wird immer größer. Das ist ganz schön und plakativ abzulesen am Dax ETFs. Der größte ETF Anbieter heißt Blackrock. Blackrock hält im Mittel mittlerweile Anteile an allen Dax-Konzernen. Und nicht nur das, sondern die Anteile sind inzwischen auf zwei, drei bis zu zehn Prozent pro Unternehmen gewachsen. Das liegt einfach daran, weil ETFs so beliebt sind. Es gibt viele Aktien von Unternehmen, wo mittlerweile Blackrock der größte Investor ist. Einfach, weil so viele ETFs auf den Dax gehalten werden.

[00:12:32]

ETFs gibt es ja auf viele Indizes. Du hast es auch schon angesprochen. Was sind denn die populärsten ETFs und welche sind weniger bekannt? Aber aus deiner Sicht lukrativ?

[00:12:41]

Ja, die populärsten, die wurden schon erwähnt. Das ist aus deutscher Sicht ganz klar der ETF auf den Dax, aber auch der ETF auf den Nasdaq in den USA, die Technologiebörse auch auf den. Das sind die 500 größten amerikanischen Unternehmen und auch ETFs auf MSCI World. Das sind die größten Unternehmen der Welt. Es gibt ganz, ganz viele, die weniger bekannt sind. Das sind vor allen Dingen diese Themen ETFs. Damit setze ich auf eine bestimmte Branche wie Technologie wie Pharma, Konsum wie Automobil wie Banken.

[00:13:15]

Ich halte von diesen Themen Fonds, die nicht ganz so populär sind, nicht ganz so viel, weil ich nie weiß, welche Branche wann besser läuft als die andere. Da gibt es eine ständige Rotation. Mal läuft die besser, mal die andere, und dann kauf ich mir ETF ein und muss doch ständig den Markt beobachten. Und das ist äußerst schwierig.

[00:13:36]

Das ist äußerst schwierig. Saxo und ich, mein Team ETFs, sind doch im Grunde auch nichts anderes als verschiedene Einzelaktien aus einer Branche summiert. Heißt Wenn es einem Unternehmen schlecht geht, kann das auch daran liegen, dass es der ganzen Branche schlecht geht. Setzt sich damit mehr oder weniger doch auch nur auf ein Pferd?

[00:13:54]

Ja, genau das. Der Klassiker ist Ich kaufe ein ETF auf Technologiewerte. Und wenn jetzt die Technologiewerte abstürzen, so wie das kurzzeitig erlebt haben, dann stürzt ab.

[00:14:05]

Wie sieht es denn bei dir aus? Hast du auch ETFs? Ja, ich habe auch ETFs. Was machst du mit deinen ETFs?

[00:14:12]

Ja, ich habe 2 2 Anteile gekauft, und zwar ich habe zwei Kinder und für jeden habe ich ETF Anteile. Und zwar kaufe ich jeden Monat für 50 Euro ETFs für den Sohn und 50 Euro für die Tochter.

[00:14:27]

Nicht schlecht, nicht schlecht, mag man meinen. Ich habe für den einen. Ich finde auf den Dax gekauft. Für die Tochter. Auf den World. Habe ich das auch im Laufe der Zeit erzählt? Mein Sohn, der ist interessiert, und der kam dann natürlich damit an. Wieso kaufst du mir den Dax und der meiner Schwester, den SeaWorld? Weil ihnen auch nicht verborgen geblieben, dass der Dax viel, viel schlechter gelaufen ist in den letzten fünf, in den letzten zehn Jahren als der Wald.

[00:14:59]

Und was hast du ihm geantwortet? Ja, ich habe ihm geantwortet Das Geld, das wird am Ende sowieso hälftig geteilt. Aber das hat ihn nicht ganz zufrieden gestellt. Er hat immer weiter wieder gebohrt und meinte Ja, wieso kaufe ich keine ETFs auf Tesla oder auf Apple oder dergleichen? Und spätestens bei solchen Fragen merke ich dann Reden ist gut, aber Schweigen ist oft besser. Herzlichen Dank für das Gespräch.

[00:15:24]

Seit Wochen tobt der Streit zwischen Griechenland und der Türkei um die Erdgasvorkommen im Mittelmeer. Beide Seiten beanspruchen das Gebiet und damit auch das vermutete Erdgasvorkommen für sich. Aber seit Mittwoch gibt es nun die Hoffnung auf einen Kompromiss. In einer Videokonferenz mit Bundeskanzlerin Merkel hat sich Präsident Erdoğan für Verhandlungen mit Griechenland ausgesprochen. Voraussetzung dafür sei allerdings ein konstruktiver und fairer Ansatz. Wie könnte der aussehen? Das besprechen wir jetzt mit unserem Türkei Korrespondenten Ozan Demirkan Ozan. Zunächst einmal Worum geht es ganz genau in dem Konflikt?

[00:16:02]

Und wie ist die rechtliche Situation?

[00:16:05]

Es geht um Erdgas, wie du gesagt hast. Aber das Erdgas ist ja noch nicht einmal gefunden worden. Das suchen die türkischen Schiffe ja auch noch danach. Der eigentliche Streitpunkt zwischen den beiden Ländern ist allerdings eine kleine griechische Insel mit 500 Einwohnern. Die liegt über 600 Kilometer vom griechischen Festland entfernt, aber nur zwei Kilometer vor der griechischen Küste. Trotzdem beansprucht Griechenland eine sogenannte ausschließliche Wirtschaftszone von 200 Seemeilen um die Insel herum. Das heißt, dass Griechenland damit das Recht in Anspruch nimmt, in dieser Zone wirtschaftlich aktiv zu werden, zum Beispiel bei der Erdgasförderung.

[00:16:39]

Das auf der anderen Seite stört weder die Türkei, die damit den Einfluss auf Gewässer direkt vor ihrer Küste verliert. Und deswegen hatte Erdoğan dieses Streites vom Zaun gebrochen und ein eigenes Forschungsschiff genau in diese Gewässer geschickt, die eigentlich Griechenland beansprucht. Ja, das Seerecht der Vereinten Nationen ist da einerseits eindeutig, dass nämlich auch Inseln eine solche Wirtschaftszone beanspruchen dürfen. Aber wenn sich die Wirtschaftszonen zweier Länder überlappen, dann heißt es in Seerecht ja etwas lapidar, dass sich die beiden Anrainerstaaten bilateral einigen müssen.

[00:17:13]

Und genau da hakt es derzeit.

[00:17:16]

Aber warum lässt Erdoğan überhaupt nach Erdgas suchen?

[00:17:19]

Ja, das hat zwei Gründe. Einmal gerade erklärt, geht es darum, dass die Türkei die Kontrolle über ihre Gewässer vor der Küste haben will. Das ist vielleicht etwas nationalistisch gedacht und soll dazu dienen, die nationalistisch denkenden Wähler anzusprechen und für sich zu gewinnen. Der zweite Grund ist ein ganz klarer Grund die Wirtschaft. Die Türkei muss viel Erdgas importieren für die Herde in der Küche, für die Heizungen, in den Wohnungen und auch in den Industrieanlagen. Und wenn die Türkei in den eigenen Gewässern Erdgas finden würde, würde das Land eine Menge Geld sparen.

[00:17:51]

Ich könnte es noch einen dritten Grund hinzufügen, nämlich dass Erdogan auch den Zeitpunkt dieser Aktion ziemlich passend gewählt hat. Viele Staaten sind jetzt mit der Pandemie beschäftigt und noch dazu wirtschaftlich geschwächt. Auch Griechenland, auch die Türkei natürlich trotzdem. Für den türkischen Präsidenten war das wahrscheinlich die Gelegenheit, genau jetzt diesen lange schwelenden Streit noch einmal zu einer Eskalation zu bringen.

[00:18:13]

Jetzt hat sich ja auch Deutschland mittlerweile mit eingeschaltet. Warum mischt sich Deutschland ein?

[00:18:18]

Zuerst, muss man sagen, hatte sich Frankreich eingemischt. Herr Präsident Emmanuel Macron hatte sich ja schnell demonstrativ auf die Seite Athens gestellt. Auch Sanktionen gegen die Türkei gefordert. Jetzt wird Griechenland wahrscheinlich sogar mehrere Kampfjets bei den Franzosen bestellen. Deutschland wiederum hat ja derzeit den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft inne. Von der Bundeskanzlerin wird daher erwartet, dass sie als Vermittlerin auftritt. Das passt auch meiner Meinung nach ganz gut. Denn vor allem Deutschland kann sich ja einen weiteren Streit zwischen der Türkei und einem EU-Mitglied eigentlich überhaupt nicht mehr erlauben.

[00:18:51]

Die Türkei sei letztendlich auch ein wichtiges Partnerland in der Flüchtlingskrise. Den Flüchtlingspakt hat die Türkei vor allem mit Deutschland zusammen erstellt. Die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin dürften also versuchen, alle Interessen in diesem Streit zu berücksichtigen, also als Vermittlerin aufzutreten. Um diesen Streit möglichst schnell zu schlichten.

[00:19:09]

Glaubst du denn, dass wir das jetzt bald gelingen könnte? Wie könnte es generell weitergehen in dem Konflikt?

[00:19:14]

Man hat ja gerade der Gebetsruf begonnen. Ich hoffe, ihr könnt mich trotzdem noch gut hören. Sie Rechtsexperten glauben, dass die Türkei eigentlich ganz gute Karten hätte, wenn der Fall vor ein Gericht kommen würde. Allerdings sind solche Verfahren nie richtig vorhersehbar. Und auch Erdoğan, glaube ich, vertraue diesen Gerichten nicht. Deswegen vermute ich, dass Griechenland und die Türkei gemeinsam mit der EU nun verhandeln. Ankara beschwert sich ja schon lange über den Flüchtlingspakt, der ihrer Meinung nach nie so richtig funktioniert hat.

[00:19:43]

Auch in Libyen haben die Türkei und Europa unterschiedliche Interessen. Und dann ist da ja auch noch der türkische EU-Beitritt, der zwar im Moment faktisch auf Eis liegt, aber den die Türkei wieder gerne reaktiviert hätte. Kurz gesagt Die Türkei dürfte jetzt viele, viele Streitpunkte ansprechen und dementsprechend viele Forderungen stellen. Die EU hat deswegen meiner Meinung nach zwei Möglichkeiten Sie kann auf diese Forderungen eingehen. Das würde wahrscheinlich den Griechen weniger passen. Oder sie kann hart bleiben. Das würde bedeuten, dass es bald Sanktionen gegen die Türkei gibt.

[00:20:15]

Ozan Herzlichen Dank für das Gespräch und liebe Grüße in die Türkei.

[00:20:25]

Das war heute unsere Sendung, Redaktionsschluss war wie immer um 16 Uhr hatte Ihnen diese Woche irgendwas gefehlt? Haben Sie weitere Themen im Kopf, die unbedingt in diesen Podcast gehören? Dann schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an handelsblatt.com. Kommt jetzt ein schönes Wochenende für Sie? Machen Sie es gut bis Montag.