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Mal angenommen, in Deutschland regieren Bürger Räte mit, lösen wir Bürger dann die Klimakrise und haben Parlamente dann nichts mehr zu sagen.

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Ich bin Markus Samba alle und ich bin Justus Calis. Wir arbeiten im Team des ARD-Hauptstadtstudio. Hier in Berlin. Schön, dass ihr dabei seid. Bei einer neuen Folge von mal angenommen. Dem Zukunfts Podcast der Tagesschau Bürger Räte, die mitregieren.

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Klingt jetzt fast nach dem Fach Geschichte, aber wir gucken in die Zukunft, genau wie immer. Und diese Zukunft hat in Irland schon angefangen. Da haben Bürger Räte vor ein paar Jahren für eine kleine Revolution gesorgt. Kann man sagen. Die Bürger Räte waren nämlich Auslöser dafür, dass Irland, das lange so konservativ war, die Ehe für alle erlaubt hat. Und die haben das strikte Abtreibungsverbot gekippt. Wenn in Deutschland Bürgerrechte mitregieren, dann würden einige Coruña Entscheidungen vielleicht anders ausfallen und vielleicht könnten wir dann so eine Meldung in der Tagesschau hören.

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Der Nationale Corona Bürger Rat hat Empfehlungen zur Corona EPP beschlossen. Nutzer sollen das Recht bekommen, Ort und Zeitpunkt einer Corona Infection zu erfahren. Bislang ist das nicht möglich. Die Gesundheit vieler sei während der Pandemie wichtiger als der Datenschutz Einzelner, erklärte der Bürger Rat. Jetzt muss auch der Bundestag zustimmen.

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In unserem Szenario geht es um bundespolitische Themen wie Maßnahmen in der Coruña Pandemie, wie wir eben in der Tagesschau Meldung gehört haben oder Organspende, Regelung oder Klimawandel.

[00:01:38]

Das schauen wir uns später noch genauer an. Ein Bürger Rat, der über so Themen entscheidet, den hat es sogar in Deutschland schon gegeben. Aber das war mehr so eine Art Testlauf. Da ging es um die Frage, ob generell Bürgerrechte eingerichtet werden sollten. Da wurden Bürgerinnen und Bürger aus dem Melderegister per Zufallsprinzip ausgewählt und dann angeschrieben und die waren oft ziemlich überrascht.

[00:02:00]

Ich bin nach Hause gekommen und meine Freundin hat gesagt Das ist ein komischer Brief für dich gekommen.

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Ich habe mir die durchgelesen und dann hab ich gedacht ist das ein FEC? Die Wahrscheinlichkeit unter 80 Millionen ist doch nicht so groß. Fühlt sich so an wie ein Sechser im Lotto.

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Ich finde es spannend, verschiedene Menschen zu treffen mit verschiedenen Perspektiven. Wieso sind wir dann eingeladen beim Bürger Rat? Weil wir eben die Demokratie wieder wollen, die eben in einer Schieflage ist.

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Mich stört einfach, dass immer mehr eigentlich gegen den Willen der Bürger entschieden wird.

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Puh, also gegen den Willen der Bürger entschieden. Das ist schon ein ziemlich harter Vorwurf, aber auch nicht neu.

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Nein, eben Politikverdrossenheit. Das Stichwort darüber reden wir ja schon lange. Und das zeigt z.B. auch die letzte Umfrage vom ARD-Deutschlandtrend. Da sagt nämlich mehr als ein Drittel der Befragten Ich bin unzufrieden damit, wie Demokratie in Deutschland funktioniert.

[00:02:54]

Und wenn wir nur auf Ostdeutschland gucken, dann ist das Ergebnis noch beunruhigender, finde ich. Da sagt sogar die Hälfte der Befragten, dass sie weniger oder gar nicht zufrieden ist mit dem Funktionieren der Demokratie. Aber ob dann Bürger Rat was ändern kann? Da müssen wir schauen, wo wir gerade schon mal beim Begriff sind. Wir reden in unserem Gedankenexperiment heute ja vom Bürger Rat, weil das ist halt der eingeführte Begriff. Aber klar, da fehlen im Wort die Bürgerinnen.

[00:03:18]

Wir wissen schon, das ist nicht so ganz glücklich. Vor allem, weil ja gerade in den Bürger Räten die Genderfragen männlich, weiblich, divers eine wichtige Rolle spielen. Denn da wird ja ganz genau geguckt, dass die Leute im Bürgeramt exakt ein Abbild der Gesellschaft sind. Und eine, die unser Gedankenspiel schon erlebt hat, ist Kerstin Raubvogel aus Bremen. Sie ist 58 Jahre alt, berufstätig und sie wurde ausgelost und hat sich entschieden, beim Bürger mitzumachen.

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Nachdem ich das so durch Lesen hat und mensch, dachte ich von 160 Leuten in ganz Deutschland, die teilnehmen durften. Das sehr cool.

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Und es ging dabei um die Frage, ob in Deutschland in Zukunft Bürgerrechte eingerichtet werden sollen. Okay, das verstehe ich. Aber warum sind es dann 160 Leute? Habe ich mich gefragt.

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Wie mache ich mir das damit erklärt? Das hängt damit zusammen, dass 160 Menschen, dass man das mit denen ganz gut hinbekommt, einen echten Querschnitt der Bevölkerung abzubilden, also Stadt, Land, Bildung, Migrationshintergrund, Alter und Geschlecht.

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So wie die Vielfalt in unserer Gesellschaft ist, so war natürlich auch die Leute, das waren auch Leute da, die auch ablehnend dem Ganzen gegenüber waren. Aber jeder durfte sagen, was er wollte. Und die Organisatoren haben nicht versucht, uns in eine Richtung zu drängen.

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War das alles total verständlich oder hat sich jemand mal getraut zu sagen Das verstehe ich jetzt aber noch nicht?

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Das kam häufig vor, dass man gesagt hat, dass man das nicht versteht oder dass nochmal bitte erklärt werden sollte. Das war ganz normal.

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Wie haben Sie das empfunden, dass das so auf Augenhöhe passiert ist? Ich habe mich sehr wertgeschätzt gefühlt. Ja, das waren Profis. Und ich habe mich nicht irgendwie klein gefühlt. Das war schon auf Augenhöhe. Das hat mich sehr, sehr beeindruckt.

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Haben Sie bei sich oder anderen gemerkt, dass die Meinung oder die Haltung sich während der Diskussion verändert hat?

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Ja, es gab einen Herrn, der sehr dagegen war und der abends auch nochmal Gesprächs Raum extra bekommen hatte und der am nächsten Tag doch wesentlich friedlicher war. Ja, das war so einer, der war wirklich auf Krawall gebürstet, kam da schon her, hat Flugblätter verteilt und ja, nach diesen Gesprächsrunden, der ihm abends eingeräumt worden es war der am nächsten Tag ja wesentlich friedlicher. Stimmt.

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Was würden Sie denn anderen Menschen raten, die auch wie Sie ausgelost zu werden, mitmachen? Es ist eine so spannende Erfahrung. Es war alles so gut organisiert. Wir haben Inputs gekriegt. Zwischen den kleinen Themenblöcke gab's immer einen Input. Irgendwann war aus Irland jemand zugeschaltet, die dort beim Bürger Rat arbeiten. Es war über Lobbyismus ein Input. Also so spannend. Ja, so ein richtig tolles Wochenende war das. Und es war kein ja kein Freizeit Wochenende. Es war wirklich ein Arbeitswochen Ende.

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Meinen Sie, dass Politik davor Angst haben muss oder ist das eher eine Bereicherung?

[00:06:18]

Das Volk, das sind wir und wir können ebenfalls Empfehlungen geben und Ratschläge. Wir sind so professionell durchgeleitet wurden. Zu dem Thema gab's einen Input. Sodass man hinterher dachte Ja, jetzt kann ich auch was dazu sagen. Gucken Sie heute eigentlich anders auf die Politik als vorher? Ja, wertschätzender war, was Kerstin Laub Vogel da sagt. Das klingt ja echt richtig begeistert, weil sie sich als Bürgerin ernst genommen fühlt und wohl auch, weil sie merkt, ihre Meinung wird gehört und sie kann sogar mitentscheiden.

[00:06:49]

Ja, und bei diesem Bürger ging es übrigens auch um die Frage, ob es Bürgerrechte in Deutschland in Zukunft geben soll.

[00:06:54]

Und das Ergebnis war Ja. Ja. Und dann komme ich natürlich zu dem Punkt Wie kommt denn so ein Bürgerrecht eigentlich zustande? Idealerweise ja. In unserem Gedankenexperiment geht das in zwei Schritten. Im ersten werden auf Regionalkonferenzen die Themen festgelegt. Dafür können sich interessierte Bürgerinnen und Bürger bewerben. Und da wird aber auch schon geschaut, dass die einen Querschnitt der Gesellschaft abbilden. Und im zweiten Schritt werden die Themen dann im eigentlichen Bürgeramt diskutiert und entschieden.

[00:07:21]

Und wenn das so läuft, heißt es aber auch Es kann nicht jeder und jeder einfach so mitmachen.

[00:07:25]

Stimmt genau. Ja, nur die, die mit Hilfe der Einwohnermeldeamt ausgelost und angeschrieben werden. Und die können dann sagen Ich würde gerne mitmachen und die kommen dann in eine zweite Verlosung und aus der werden dann 160 Menschen gezogen, die die Gesellschaft am besten repräsentieren.

[00:07:40]

Das heißt also, es gehört ziemlich viel Losglück dazu. Und wenn man dann diese Gruppen hat, dann treffen die sich ein paarmal oder genau an vier Tagen, verteilt über zwei Wochenenden. Und im Anschluss werden die Ergebnisse dann dem Bundestag präsentiert und am Ende müssen diese Empfehlungen dann idealerweise auch dort umgesetzt werden. Wenn ich mir das so vorstelle Themen wie Klima oder Corona sind ja echt komplizierte, komplexe Themen. Da geht es um Sachen, wo die Leute im Bürgeramt ja kein Spezialwissen haben können.

[00:08:09]

Und dann frage ich mich schon, wer das liefert, weil wenn es darum geht, dass da Experten Expertinnen Input geben in diese Runden, die dürfen ja nicht einseitig sein. Umgekehrt. Das muss irgendwie ausgewogen sein. Objektiv. Also ist schon die Frage, wie diese Experten überhaupt ausgewählt werden. Also viele Vorschläge für Experten kommen auch aus den Beiräten der Bürgerrechte. Da gibt es ein gesellschaftspolitisch zusammengesetzten und einen wissenschaftlichen. Und die Initiatoren gucken dann Wie sieht das aus mit der Pro und Contra Meinung?

[00:08:36]

Und jeweils ein Experte für das Thema Pro und Contra wird dann eingeladen. In die Bürgerrechte und in großen Gruppen wird dann anschließend darüber diskutiert und dann geht's in Kleingruppen weiter. Und da sind die Experten aber nicht mehr dabei. Damit es einmal keine Beeinflussung mehr gibt und auch damit niemand Angst haben muss, sich irgendwie zu blamieren.

[00:08:56]

Das ist echt eine schöne Theorie, würde ich erst einmal sagen und frage mich, ob das dann auch klappen kann. Und deshalb habe ich mit Brigitte Geissel gesprochen. Die ist Professorin an der Goethe-Uni in Frankfurt am Main und ihr Forschungsgebiet ist Demokratische Innovationen.

[00:09:11]

Und die Bürgerrechte werden in unserem Szenario tatsächlich so etwas wie eine echte Innovation. Genau deshalb passt das gut. Und Brigitte Geissel hat im vergangenen Jahr auch wissenschaftlich untersucht, wie dieser erste Bürger Rat in Deutschland, von dem wir gehört haben, wie der funktioniert hat.

[00:09:26]

Könnte es denn passieren, dass im Bürgeramt auch so eine radikale Meinung sich durchsetzt? Also zum Beispiel, dass er sich für die Todesstrafe ausspricht, dass das, was manche befürchten und deshalb habe ich mit Brigitte Geissel, der Politikwissenschaftlerin, darüber gesprochen?

[00:09:39]

Nein, diese Befürchtung habe ich überhaupt nicht. Tendenzen, die es in der Bevölkerung gibt extremistische Tendenzen sind ja wirklich nicht in der Mehrheit. Und wenn man mit Leuten sich unterhalten, wenn ihre Positionen erklären müssen, argumentieren müssen, dann sind die ja ganz schnell verloren, weil sie nicht mehr weiterkommen. Da gibt es also auf jeden Fall auch so eine interne, so eine soziale Kontrolle, die auch dazu führt, dass die Debatten wirklich dann auch gehaltvoll sind. Es gibt auch einen Moderator, der darauf achtet und was natürlich auch ganz wichtig ist Die Verfassung steht immer über allem.

[00:10:12]

Also alles, was diskutiert wird, alles, was entschieden wird, muss immer im Rahmen der Verfassung sein. Also das ist ganz klar. Das schwebt über allem.

[00:10:20]

Sie haben das gerade schon angesprochen, die Moderatoren, Moderatorinnen einerseits, dann auch die Experten und Expertinnen, die diese ausgelosten Bürgerinnen und Bürger informieren und briefen. Da könnte ich schon befürchten, dass diese Neutralität vielleicht manchmal auf der Strecke bleibt, oder?

[00:10:36]

Das ist natürlich eine Voraussetzung, also dass die Information wirklich neutral und ausbalanciert sind. Das heißt, wenn es zu bestimmten Themen auch in der Wissenschaft verschiedene Perspektiven und Ansichten gibt, müssen die auch so auf den Tisch kommen. Ja, das ist ganz wichtig. Das ist eine Voraussetzung. Deswegen sagen auch viele, diese Experten sollten aus verschiedenen Gruppierungen heraus gesucht werden, also nicht nur aus dem Parlament heraus, sondern auch aus der Zivilgesellschaft, um wirklich am Ende sicherzustellen. Es gibt dann balancierten ein neutrales Informations Niveau, das wirklich alle Aspekte, alle Perspektiven dabei sind.

[00:11:11]

Moderatoren müssen natürlich neutral sein. Sie müssen darauf achten, dass die Unterhaltung respektvoll ist. Es gibt auch Tricks wie zum Beispiel Jeder darf nur ein zweites Mal was sagen, wenn schon alle einmal etwas gesagt haben, um sicherzustellen, dass auch vielleicht nicht so sprachlich versierte Personen. Zu Wort kommen also das sind alles so kleine Tricks, auf die Moderatoren achten müssen, dass alle zu Wort kommen, dass es neutral ist, dass es respektvoll ist.

[00:11:36]

Das wäre mein nächster Punkt, dass Leute mit höherer Bildung, Leute, die redegewandte sind in Sondergruppe vielleicht nicht dann doch im Vorteil wären.

[00:11:45]

Ja, es ist so natürlich die Menschen, die mit Borten arbeiten, die besser Gebildeten, haben es leichter, sich zu artikulieren. Aber wir wissen, dass man nicht nur mit Argumenten reden kann, sondern man kann ja auch Geschichten erzählen. Man kann auch eigene Interessen formulieren. Vielleicht nicht so schön wortgewandt, aber trotzdem geht das auch als auch hier wieder. Es gibt eine ganze Reihe von Untersuchungen, die sich genau mit diesem Thema beschäftigen, weil es wirklich zentral ist.

[00:12:11]

Und deswegen sage ich auch gute Moderatoren sind notwendig. Wenn man das nicht leisten kann, dann sollte man so ein Verfahren nicht machen, weil dann gehts genau wie sie sagen nach hinten los. Wenn man einfach sagt lass nur mal die 10 Leute diskutieren. Das wird eben nicht so funktionieren, weil dann hat man eben diese Ungleichheit, die durchschlägt.

[00:12:29]

Also gute Moderatoren. Ist ja vielleicht ein neues Berufsfeld.

[00:12:32]

Moderator im Bürgeramt Im Moment macht es mir hier auch noch ziemlich viel Spaß. Aber wenn ich mir das überlege bei diesem Bürgeramt, wenn sich da 160 Leute treffen, die haben Reisekosten, die brauchen ein Hotel, was sich nicht jeder leisten kann und was die ja auch erst mal nicht bezahlen sollten, weil das ja eine wichtige Aufgabe ist. Dann die Experten, die ein Honorar kriegen. Justus, du hast ja mal angeguckt, wer das alles bezahlt, wie man das finanzieren könnte.

[00:12:57]

Also bei diesem ersten Bürgeramt, da war es so, dass das größtenteils Stiftungen übernommen haben. In unserem Gedankenexperiment könnte man sich aber auch vorstellen, dass man das aus Steuern und Spenden bezahlt. Am Ende muss aber klar sein Wer bezahlt, darf nicht die Themen bestimmen und schon gar nicht, wie es am Ende ausgeht.

[00:13:12]

Und es muss eben eine ganz entscheidende Frage geklärt werden Haben wir schon mal so am Rande gehört? Was passiert denn mit so einem Vorschlag des Bürgerrechts?

[00:13:20]

Lässt man das Volk darüber abstimmen? Gibt's ja derzeit noch nicht Volksabstimmungen auf Bundesebene bei uns oder muss der Bundestag daraus ein Gesetz machen? Oder wird der Bürger Rat so wichtig wie Bundestag und Bundesrat?

[00:13:30]

Ja, müsste man alles klären. Aber es gibt ja schon Länder, die haben vorgemacht, wie es gehen kann. Irland zum Beispiel. Da haben Bürgerinnen und Bürger in kurzer Zeit bei einem echt schwierigen Thema, nämlich beim Thema Abtreibung, das katholische Land quasi auf den Kopf gestellt. Justus, du hast jemanden getroffen, der hat das miterlebt. Und dafür musste ich hier im ARD-Hauptstadtstudio nur fünf Boros weitergehen. Zu meiner Kollegin Julie Kurz Sie war, bevor sie zu uns ins Hauptstadtstudio gekommen ist, Korrespondentin in London und war in der Zeit der Entscheidung oft in Irland vor Ort.

[00:14:01]

Und ihr hab ich das Abstimmungsergebnis und die Reaktion darauf nochmal vorgespielt.

[00:14:06]

Votes in Favor Pause ohne Medien vorhanden. Chianti neuntausend? Nein, Handelsnation.

[00:14:18]

O o o. Also ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich kriege Gänsehaut. Ja, das war sehr berührend, zumal es ja eigentlich wirklich kein positives Erlebnis ist, keine ist. Ich meine, es ging um Abtreibung. Es geht um die Frage von Leben und Tod. Es sind sehr viele traurige Geschichten gewesen, die ich in der Zeit gehört habe. Frauen, Frauen, die über die Grenze gehen, mussten in Sharm vor ihrer Familie und dort abgetrieben haben.

[00:14:49]

Aber es war trotzdem ein positiver Moment, weil es ging, glaube ich, wirklich eher darum. Und das hat Leo Varadkar, der Ministerpräsident, auch gesagt, glaub ich an dem Abend. Es ging darum, eine moderne Verfassung sollte das glaube ich, gesagt für ein modernes Land. Es ging also darum, wie die Frauen ja auch gesagt haben Wir haben Geschichte gemacht. Es ging um die Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Und von daher war es schon so ein Moment, auch als ich das gesehen habe.

[00:15:16]

Es berührt einen. Das lässt einen nicht kalt, wie dieses ganze Referendum einen nicht kalt gelassen hat.

[00:15:21]

Lasst uns nochmal ein Schritt zurück in die Neuregelung. Hat ja eine Versammlung irischer Bürger vorgeschlagen, nachdem sie zahlreiche Experten angehörten. Wie war das im Mai 2018? Was ist da passiert in Sachen Bürgerrechte in Irland?

[00:15:32]

Nein. Irland hat ja schon seit 2011 oder 2012 entschieden, so eine Citizens Assembly einzurichten, also ein Bürgerrecht einzurichten, um eben den Leuten wieder Vertrauen in die Politik zu geben. Und gerade dieses Thema Abtreibung ist in Irland wirklich ein sehr emotionales Thema, auch weil es ist ja ein Land, was sehr katholisch ist, sehr traditionell ist. Und dann gab es eben diesen Bürgert, der darüber entscheiden sollte, ob man für oder gegen diese Abtreibung ist. Und es ist alles ein bisschen komplizierter, weil es gibt diesen Zusatzartikel 8 in der Verfassung.

[00:16:10]

Dieser Zusatzartikel sagt, dass das Leben eines Ungeborenen genauso viel wert ist wie das Leben Schwangerer und diese Bürgerversammlung. Die Empfehlung war, dass Abtreibung bis zur zwölften Woche ohne Angaben von Gründen erlaubt sind. Das war die Empfehlung, die diese Bürgerversammlung gemacht hat. Und daraufhin hat sich auch die Regierung das Parlament bezogen.

[00:16:33]

Das ist ja eine wegweisende Entscheidung gewesen. Auch für die Gesellschaft hat das die Gesellschaft gespalten.

[00:16:39]

Also grundsätzlich im Zulauf zum Referendum hatte ich schon das Gefühl, dass die Stimmung extrem aufgeheizt ist. Aber am Ende war es ja eine überwältigende Mehrheit.

[00:16:49]

66 Prozent waren das, glaube ich, nicht so genau. Genau zwei Drittel, genau. Es waren 66 Prozent. Und man hörte dann von der anderen Seite auch eigentlich gar nichts mehr. Das wurde akzeptiert. Und ich glaube, dass das wirklich, dass diese Bürgerversammlung dazu ganz viel beigetragen hat, dass die Gesellschaft dadurch auch wieder zusammengekommen ist.

[00:17:09]

Und die haben ja nicht nur das Abtreibungsverbot gekippt, die haben auch die Ehe für alle eingeführt.

[00:17:14]

Und das zeigt ja echt ganz deutlich Bürgerrechte müssen keine Alibiveranstaltung sein.

[00:17:19]

Nein, Irland hat klar gezeigt Das kann Politik und auch die Gesellschaft eines Landes verändern.

[00:17:30]

In Deutschland sind wir davon noch weit entfernt, aber in unserem Gedankenexperiment mal angenommen Bürger Räte regieren mit. Wäre das Realität und könnte auch beim großen Thema Klimawandel zu Veränderungen führen? Ja, genau.

[00:17:42]

Und ich habe mit Okka Lou Mattis aus Bonn darüber gesprochen. Die ist Aktivistin bei Extension Rebellion und die von Extraktion Rebellen. Die fordern schon lange im Kampf gegen die Klimakrise, dass Bürger Räte bei dem Thema in Deutschland mitentscheiden sollten.

[00:17:58]

Wir haben gesehen aus Beispielen aus Nachbarländern, Klima, Bürgerinnen, Räte in Irland, in Großbritannien oder in Frankreich, das sehr konkrete Empfehlungen dabei rauskommen können, wenn die Bürgerinnen beraten. Und zwar haben z.B. in Frankreich die Bürgerinnen 149 sehr konkrete Empfehlungen an die Regierungen formuliert. Die waren so konkret wie der Vorschlag, Inlandsflüge komplett zu verbieten oder ein Tempolimit auf Autobahnen einzuführen oder auch Ökozid, also die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, unseres Lebensraums als Verbrechen einzustufen.

[00:18:36]

Bis hin dazu eine Verfassungsänderung, die vorgeschlagen wurde. Und zwar dafür, dass der Staat den Kampf gegen den Klimawandel garantieren soll und den Erhalt der biologischen Vielfalt und der Umwelt. So konkret können also die Empfehlungen sein, die da rauskommen.

[00:18:52]

Glauben Sie, Menschen würden also wirklich dann dafür plädieren, dass sie selbst auf gewohnte Dinge verzichten müssen, um das Klima zu retten?

[00:19:00]

Ja, tatsächlich zeigen die Erfahrungen das. Und das liegt eben genau daran, dass in einem Bürgerinnen Rat in diesem Gremium ganz anders vorgegangen wird, als es bei uns in der aktuellen Politik in der Debatte möglich ist. Also da kommen erst einmal Menschen aus verschiedenen Hintergründen zusammen, die sich mit Zeit wirklich einem Thema widmen, die umfassend informiert werden und die dann sich darüber austauschen. Und die allermeisten Menschen, die tatsächlich mit den Fakten des Klimawandels konfrontiert sind, aber auch mit möglichen Lösungsansätzen, die sind sehr wohl bereit, dann auch bei sich selber tiefgreifende Veränderungen vorzunehmen, um einfach unser aller Wohlergehen auf diesem Planeten weiterhin zu sichern.

[00:19:42]

Mal angenommen, in einem Bürger und Bürgerinnen Rat würde sich dann aber doch eine Linie durchsetzen, die dann heißt Ich will weiter in den SUV fahren, viel Fleisch essen, Inlandsflüge machen. Das Klima ist mir da nicht so wichtig. Würden Sie das auch akzeptieren?

[00:19:56]

Das ist natürlich in der Demokratie, solange der Prozess gut organisiert wurde, unabhängig und transparent ist sowas was, was wir in einer Demokratie aushalten müssten und damit umgehen müssten. Das ist aber nicht sehr wahrscheinlich, dass sich Extrempositionen in so einem Klima Bürgerinnen Rat durchsetzen. Das haben auch die Beispiele gezeigt aus unseren Nachbarländern, wo wirklich sehr mutige Empfehlungen rauskamen, die über die bisherige Politik deutlich hinausging. Und ich denke, wir können nur gewinnen mit einem Klima Bürgerinnen raten. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Empfehlungen hinter die aktuelle Klimapolitik der deutschen Bundesregierung zurückfallen würde.

[00:20:35]

Also das finde ich ja spannend. Okka Lou Mathis von extrinsische nur Belgien, die glaubt sogar Bürger und Bürgerinnen, die wären wahrscheinlich mutiger bei ihren Entscheidungen als die gewählten Politiker und Politikerinnen, zumindest unabhängiger.

[00:20:49]

In Frankreich war es ja so, dass die Bürgerinnen und Bürger schon mutige Entscheidungen getroffen haben. Aber so mutig war die Politik noch nicht, die umzusetzen.

[00:20:55]

Ne, bislang nicht. Aber immerhin. Der französische Präsident hat laut drüber nachgedacht, diese Bürger Räte ins politische System zu integrieren, zu einer Art dritten Kammer zu machen, die dann doch deutlich mehr mitentscheiden können.

[00:21:14]

Markus, lass uns doch mal zusammenfassen Unser Gedankenexperiment Mal angenommen, in Deutschland regieren Bürgerrechte mit. Was heißt das im besten Fall?

[00:21:23]

Im besten Fall entscheiden Bürgerinnen und Bürger bei den großen Themen mit und bieten Lösungen an. Ob es um die Coruña Pandemie geht oder die Klimakrise. Alle Teile der Gesellschaft bekommen durch das Loss Prinzip die Chance mitzureden. Die Diskussionen in den Bürgerrechten sind ausgewogen, sachlich und konstruktiv. Populisten und Lobbyisten haben keine Chance. Die Politik nimmt die Vorschläge der Bürgerrechte offen auf und setzt sie zügig um. Die Menschen fühlen sich wieder mehr gehört. Das Vertrauen in die Institutionen wächst. Politikverdrossenheit verschwindet.

[00:21:58]

Die Demokratie lebt. Aber ob das alles auch so kommt? Du darfst jetzt mal schwarz.

[00:22:05]

Justus Im schlechtesten Fall kommen die Bürger Räte zu Entscheidungen, die die Politik nicht 1:1 umsetzt. Und dadurch steigt die Politikverdrossenheit. Die Demokratie wird immer mehr in Frage gestellt und verliert noch mehr an Zustimmung. Lobbyisten versuchen zunehmend Einfluss auf Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu nehmen. Die Finanzierung ist nicht nachvollziehbar und so entsteht Misstrauen, dass der Bürger Rat käuflich ist. Und am Ende finden sich nicht genug Menschen, die sich beim Bürger Rat einbringen wollen. Aber so muss es natürlich auch nicht kommen.

[00:22:37]

Wir spitzen das ja absichtlich immer zu. Am Ende unseres Podcasts unser Gedankenspiel mit den Bürgerrechten heute. Das war übrigens ein Vorschlag von euch. Marah Los hatte die Idee für dieses Szenario. Danke dafür. Und wenn ihr auch Ideen habt oder Feedback geben wollt, dann mailt uns doch an.. Mal angenommen. Tagesschau.de Wir sind gespannt, was ihr schreibt. Kommende Woche gibt's eine neue Folge von uns. Bis dahin machts gut und bleib gesund. Tyrus.