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Mal angenommen, wir kehren zur Atomkraft zurück. Retten wir das Klima und haben am Ende sogar weniger Atommüll. Und was ist mit den Protesten?

[00:00:15]

Mein Name ist Justus Claes und ich bin Vera Wolfs Kempff. Wir arbeiten hier fürs ARD-Hauptstadtstudio in Berlin und ihr hört mal angenommen den Zukunfts Podcast der Tagesschau, indem wir jede Woche so ein kleines Gedankenexperiment machen.

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Atomkraft? Ja bitte! Heißt es diesmal bei uns. Vor zehn Jahren gab es ja die Atomkatastrophe in Fukushima und danach hat Deutschland den endgültigen Atomausstieg beschlossen. Andere Länder nutzen dagegen weiterhin Kernenergie, weil sie klimafreundlich ist und natürlich weniger CO2 ausstößt.

[00:00:44]

Mal angenommen, auch wir nutzen wieder mehr Atomkraft, um Energie zu gewinnen. Dann könnte sich die Tagesschau in Zukunft vielleicht so anhören.

[00:00:53]

Deutschland hat zehn Jahre früher als geplant die Klimaziele erreicht. Durch neue Atomkraftwerke konnte der CO2-Ausstoß deutlich gesenkt werden, so das Umweltbundesamt laut neuesten Berechnungen. Allerdings ist weiterhin ungeklärt, was mit dem radioaktiven Abfall passiert. Anhaltende Proteste und Klagen der Bevölkerung erschweren die Suche nach einem Lager für den Atommüll.

[00:01:21]

Jenseits vom Atommüll. Schöne Vorstellung eigentlich Die Atomkraftwerke produzieren immer genug Strom und die Klimaziele erreichen wir ganz nebenbei. Ich habe mit einer Frau gesprochen, für die dieses Argument ganz entscheidend ist, wenn sie an die Zukunft denkt, sogar so entscheidend, dass sie von der Atomkraft Gegnerin zur Befürworterin geworden ist. Anna Veronika Wendland heißt sie.

[00:01:39]

Zu Zeiten als Fukushima passiert ist, war ich eigentlich auch noch Atom Gegnerin. Ich habe aber danach eben dieses Langzeit Forschungsprojekt aufgelegt und ich habe schlicht sehr viel gelernt, was ich vorher nicht wusste und habe dann auch gleichzeitig mich zunehmend mit dieser Klimaproblematik auseinandergesetzt. Was das für uns bedeutet und das war so ein Trigger eigentlich nochmal völlig neu. Über diese Dinge nachzudenken. Also das war tatsächlich ein stufenweisen Prozess. Das war jetzt nicht so eine Geschichte über Nacht, dass man plötzlich aufwacht und sagt Bingo!

[00:02:10]

Jetzt denke ich völlig anders über die Sache.

[00:02:12]

Bingo! Aber das ist schon ziemlich bemerkenswerter Sinneswandel. Ja, aber nicht einfach so halt. Also Anna Veronika Wendland ist Technique Historikerin und sie hat gerade einen 900 Seiten Wälzer über die Nutzung von Atomkraft in den letzten Jahrzehnten in Ost und Westeuropa geschrieben.

[00:02:27]

Viele Seiten, sich eine Meinung zu bilden, aber wofür man ja nicht so lange forschen muss. Klar ist Wenn wir mit Atomkraft Energie produzieren, dann wird da sehr wenig CO2 freigesetzt. Der ganze Prozess ist nicht so sauber wie bei Wind oder Sonnenenergie. Aber es ist deutlich besser, als fossile Energieträger wie Kohle oder Erdgas zu verbrennen und CO2 einzusparen ist ja eines der großen Ziele, um die Erderwärmung und den menschengemachten Klimawandel zu stoppen. Und für diesen positiven Effekt, sagt Anna Veronika Wendland, muss man gar nicht so viel verändern oder in der Zukunft neu erschaffen.

[00:03:01]

Das würde erst einmal bedeuten, dass wir sechs Kernkraftwerke, die sonst jetzt in den nächsten anderthalb Jahren vom Netz genommen würden, weiter betreiben würden. Und das ist immerhin noch ungefähr zwölf Prozent unserer gesamt Stromproduktion, die CO2 arm ist.

[00:03:17]

Was ist denn mit den Nachteilen? Also man hat ja den radioaktiven Abfall. Es bleibt ein gewisses Restrisiko einer Atomkatastrophe. Das sind ja nicht alles irrationale Ängste.

[00:03:27]

Nein, überhaupt nicht. Ängste sind auch häufig nicht so schlechte Ratgeber. Das ist also jetzt gar nicht der Punkt, sondern wenn man sich die Kernenergie anschaut, muss man die immer in einem Abwägungsprozess angucken. Und da gibt es eben die erneuerbaren Optimisten, die sagen, das sei völlig unproblematisch, dass mit 100 Prozent erneuerbaren Energien zu ersetzen. Das bezweifle ich zumindest für die mittelfristige Perspektive. Das ist enorm schwierig. Es ist nicht das Problem, jetzt einfach neue Windkraftanlagen oder Photovoltaikanlagen zu bauen, sondern das wirkliche Problem ist ein komplexes System aus erneuerbaren Energien, Erzeugern und Speichern und dieser digitalen Infrastruktur, also dieser ganzen Steuerungs Technologien aufzubauen.

[00:04:11]

Die Gefahr ist einfach, dass wir jetzt, wenn wir diese Speicher, Infrastruktur oder gigantische Überkapazität von der Erneuerbaren nicht schnell aufbauen, dass wir dann im Endeffekt in einem Erdgas Backup wahrscheinlich landen. Also wir laufen dann eigentlich wieder rein ins fossile Backup und das ist ja eigentlich, was man aus Klimaschutzgründen nicht will.

[00:04:31]

Und würden Sie dann auf Dauer dafür plädieren, die Atomkraft mit neueren Reaktoren neu aufzustellen oder wer das dann wirklich Übergangstechnologie?

[00:04:40]

Das kommt eben ganz darauf an. Also gesetzt den Fall, wir würden jetzt diese sechs Kernkraftwerke weiter betreiben in Deutschland. Und wir sehen nach einer Übergangszeit ja diese Speicher Infrastruktur, die Erneuerbaren sind auf einem guten Wege und das haut schon hin. 2038 auch aus der Kohle auszusteigen. Dann spricht nichts dagegen, sich von der Kernenergie zu verabschieden. Aber das Problem ist, dass wir momentan ja leider eigentlich auch die letzten 20 Jahre hat Deutschland eigentlich so drastisch gesprochen gesprochenem Hintern eingerissen, was es vorne aufgebaut hat.

[00:05:12]

Also es hat vorne Erneuerbare aufgebaut. Das ist auch vorbildlich in der Welt gewesen. Es hat aber gleichzeitig seine Kernenergie die Kapazitäten abgebaut und damit auch sich um einen Großteil seiner CO2 armen Stromversorgung gebracht und unterm Strich halt wenig gewonnen. Und das ist eben die Grundidee, dass damit jetzt nicht so auf den Atomausstieg zu fokussieren, sondern vor allen Dingen auf die Klimaziele Erreichung zu fokussieren. Und das würde bedeuten, dass man in der Übergangszeit die Kernenergie noch akzeptiert. Wenn die ersetzbar wird, dann kann man sie auch verabschieden.

[00:05:43]

Sollte sich herausstellen, dass das aus welchen Gründen auch immer aus ökonomischen oder Akzeptanz Gründen oder anderen mit dieser 100 prozent erneuerbare Energien Infrastruktur nicht zu erfüllen ist, dann muss man tatsächlich auch wieder über neue Kerntechnik nachdenken. Aber ich glaube, das wäre dann tatsächlich sehr weit in die Zukunft gedacht. Ich würde für Pragmatik plädieren.

[00:06:07]

Also pragmatisch aus ihrer Sicht wäre, wenn wir die sechs Atomkraftwerke weiterlaufen lassen, statt wie geplant abzuschalten. Aber sag mal, was würden wir denn da an CO2 einsparen?

[00:06:17]

Anna Veronika Wendland rechnet vor, dass wir mit der Atomkraft. Ein Zehntel weniger CO2 ausstoßen würden. Gerechnet auf den gesamten Ausstoß 2023. Andere Rechnungen gehen so von 7 prozent CO2 Ersparnis aus. Also jedenfalls ist das schon was.

[00:06:32]

Deswegen denken ja auch andere Länder nicht daran, ihre Atomkraftwerke abzuschalten. Im Gegenteil. Frankreich modernisiert gerade seine Anlagen und in Großbritannien werden sogar neue gebaut. Eine Zukunft mit Atomkraft in anderen Ländern also auf jeden Fall. Aber CO2 einsparen mit Atomenergie. Das müsste doch auch in unserem Szenario für Deutschland sehr attraktiv sein für Klimaschützer und Klimaschützer.

[00:06:53]

Das habe ich auch gedacht. Deswegen habe ich beim Öko-Institut nachgefragt, dass auch die Bundesregierung berät. Und da arbeitet die Ingenieurin Charlotte Lorig.

[00:07:02]

Naja, Atomkraft ist natürlich klimafreundlicher als Kohle und Gas, insofern, als da keine Verbrennungsmotoren direkt auftreten. Wenn wir das uns mal vorstellen, dieses Szenario, dann hätten wir vielleicht so eine Mischung aus erneuerbaren Energien und unglaublich viel Atomenergie, deutlich mehr, als wir jetzt im Strommix hätten. Das würde schon die Emissionen natürlich deutlich senken.

[00:07:21]

Das ist so. Das hieße aber, wir müssten mehr Atomkraftwerke bauen in Deutschland.

[00:07:26]

Genau. Wir müssten deutlich mehr Atomkraftwerke bauen. Und wir haben ja jetzt ungefähr einen Anteil von 11 12 Prozent Atomstrom an der gesamten Stromerzeugung in Deutschland. Und das Ziel für 2030 sind ja 65 Prozent erneuerbarer Strom im Strommix. Das heißt, es würden noch 35 Prozent übrig bleiben. Das heißt, wir müssten den Atomstrom Anteil an der Stromerzeugung ungefähr verdreifachen, um dann komplett CO2 frei zu sein, was natürlich auch mit den entsprechenden Risiken einher gehen würde.

[00:07:53]

Sie haben die Risiken angesprochen. Welche wären das Ihrer Meinung nach? Nein, es gibt ganz viele Gründe, die gegen Atomenergie sprechen, die nichts mit Klimaschutz zu tun haben. Ich glaube, Atomenergie muss man wirklich aus anderen Gründen kritisch betrachten. Und man kann so ein bisschen sortieren. Vielleicht entlang der Brennstoff Kette. Man kann sagen, es fängt schon beim Uranabbau an. Das sind gigantische Minen, in denen das Erz ausgewaschen wird, mit sehr, sehr großer Umweltverschmutzung, mit sehr großer Gesundheits Belastung für die Leute, die da arbeiten.

[00:08:19]

Wir haben damit in Deutschland auch in der Vergangenheit in der Wismut AG unsere Erfahrungen gemacht, wo wirklich tausende von Menschen gesundheitliche Schäden davongetragen haben. Es geht weiter mit dem Betrieb der Kernkraftwerke, der natürlich nie hundertprozentig sicher sein kann. Dann geht's weiter mit dem Atommüll. Auch da hätte man natürlich dauerhaft jedes Jahr einen Ausstoß an Müll aus den Kernkraftwerken, der untergebracht werden muss und nicht jetzt einmal untergebracht werden muss und dann hört es auf, sondern der immer weiter fließen würde.

[00:08:48]

Und bis heute gibt es kein sicheres Endlager auf der Erde. Und wir haben bei Atomenergie ja immer auch viertens die Frage der Proliferation und der militärischen Nutzung von Kernbrennstoff.

[00:09:00]

Wie schaffen wir denn das mit dem Klimaziel? Wie kriegen wir das denn hin? Technisch geht das.

[00:09:06]

Man muss das System umbauen. Man kann auch Wind und Sonnenstrom speichern. Wir werden chemische Speicher in Zukunft brauchen. Wir werden Wasserstoff und vielleicht auch Methan, aber jedenfalls in irgendeiner Weise synthetisches Gas brauchen, um auch in Dunkelflaute wieder zurück zu verströmen. Wir brauchen auf jeden Fall ein ausreichend ausgebautes Stromnetz und wir brauchen auch massiv Investitionen in erneuerbare Energien. Das ist Flächen intensiv und das ist letztlich eine gesellschaftliche Frage Möchte ich viel Strom verbrauchen als Gesellschaft, dann muss ich auch akzeptieren, dass die Windkraftanlagen näher an meinem Haus dran kommen.

[00:09:40]

Oder schaffe ich es, den Stromverbrauch insgesamt soweit zu reduzieren, dass da eine gute Balance gefunden wird? Eigentlich müssen wir uns für unsere Zukunft zuerst fragen Wie viel Strom wollen wir verbrauchen? Und dann die Frage Wo kommt er her?

[00:09:55]

Also z.B. vom Windrad hinter meinem Haus. Aber da wissen wir ja immer Wenn neue Windräder aufgestellt werden, gibt's viele Proteste, gleich eine Bürgerbewegung. Das ist ja bei den Stromtrassen eigentlich auch das Gleiche. Und für unser Szenario müssen wir uns natürlich auch fragen Gäbe es gegen die Atomkraft wohl auch so viel Widerstand?

[00:10:11]

Ja, dazu hören wir mehr. Nachher noch von einem Protest Forscher. Aber erst sollten wir mit dem ganz handfesten Problem beschäftigen, dass auch richtig viele Konflikte hervorruft. Wohin mit dem Atommüll? Denn wenn wir jetzt die Kraftwerke länger laufen lassen oder sogar neue bauen, dann wird dieses Problem ja sogar noch größer.

[00:10:26]

Ja, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht wird es. Vielleicht wird es kleiner. Es gibt ja tatsächlich auch eine Idee, die anders funktioniert als herkömmliche Atomkraftwerke.

[00:10:35]

Sehr visionär, aber das musste erklären. Also am besten für Menschen, die nicht Chemie oder Kernphysik studiert haben.

[00:10:40]

Keine Sorge, hab ich auch nicht. Deswegen versuche ich wirklich einfach zu machen. Aber wir fangen mal ganz vorne an. Kernkraft. Da entsteht ja Energie, weil Atome gespalten werden. Unheimlich hohe Energie. Also dafür braucht man aber spaltbares radioaktives Material. Das setzt die Wärme frei, erhitzt das Wasser, das treibt eine Turbine an und dann macht die den Strom. Also das Prinzip ist eigentlich immer gleich bei Kernkraftwerken.

[00:10:59]

Das ist soweit klar. Genau jetzt die neue Technik, die heißt Dual Fluid Reaktor, also funktioniert mit zwei Flüssigkeiten.

[00:11:06]

Genau. Du kennst die festen Brennstäbe und die werden jetzt ersetzt durch eine radioaktive Flüssigkeit. Und die andere Flüssigkeit ist flüssiges Blei. Und das funktioniert so zusammen, dass man viel mehr verbrennen kann. Und am Ende haben wir dann. Weniger Atommüll also gehe ich jetzt noch weiter in eine Zukunft, in der nicht nur die alten Atomkraftwerke weiterlaufen, sondern ganz neue Reaktor Typen gebaut werden.

[00:11:29]

Genau. Ich habe mit jemandem gesprochen, der hat das Patent für diesen neuen Reaktor Typ mit angemeldet. Das ist Götz Rupprecht vom Institut für Festkörper Kernphysik hier in Berlin. Und das Spannende an der Technik ist, dass man damit auch noch den alten Atommüll mit verbrennen kann.

[00:11:44]

Also was man heute als Abfall hat, ist ja so ein Mix aus noch sehr gut verwertbaren und den nicht mehr energetisch verwertbaren Materialien. Und die noch gut verwertbaren sind in der Überzahl, also 95 prozent. Und da wollen wir letztendlich ran. Genau diese Stoffe machen als Abfall genau das geologische Abfall Problem aus, dass sie eben ne 100 000 Jahre gelagert werden müssen oder mehr oder weniger bewacht werden müssen. Und das ist denke ich auch nicht wirklich machbar. Und wenn man das verbrennt, dann schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe.

[00:12:15]

Also man hat eine effektivere Nutzung und man hat nicht mehr das geologische Abfall.

[00:12:20]

Problem bleibt wenn dann gar nichts übrig. Naja, nichts ist nie. Also natürlich die Spaltprodukte bleiben übrig, wenn alles verbrannt ist. Vollständig habe man exakt die gleiche Menge, aber eben in Form von hochradioaktiven Spaltprodukte. Aber hoch radioaktiv heißt auch gleichzeitig, dass es schnell zerfällt. Also man hat dann einmal ein dickes Problem am Anfang, aber dafür nach kurzer Zeit, also in Anführungsstrichen, kurz nach ein paar hundert Jahren dann eben kein Problem mehr. Und bei den anderen Stoffen, die man im Moment noch hat, hat man das Problem.

[00:12:51]

Die strahlen eben nicht sehr stark, aber gerade stark genug, dass man lange darauf aufpassen muss. Und das Problem wird man damit los.

[00:12:58]

Nochmal zum Vergleich Vielleicht der heutige Atommüll, den müssen wir ja für eine Million Jahre sicher lagern. Und dieser neue Reaktor könnte zum einen einen Teil der Brennstäbe mit verwerten und zum anderen das, was da übrig bleibt. Das müsste dann nur noch ein paar hundert Jahre eingelagert werden.

[00:13:14]

Also 300 Jahre, sagt Rupprecht. Das Ding ist aber Der Atommüll strahlt am Anfang stärker als unser jetziger, weil das Material radioaktiver ist. Aber deswegen zerfällt es eben auch schneller, aber noch radioaktiver.

[00:13:25]

Das hieße natürlich auch noch gefährlich. Wir müssten eventuell mit viel mehr Risiken auskommen. Aber so oder so diesen Reaktor gibt's ja noch gar nicht.

[00:13:33]

Nein, den gibt's erst einmal nur auf dem Papier. Und es ist auch noch kein Prototyp gebaut worden. Den zu bauen würde ungefähr zehn Jahre dauern und zehn Milliarden Euro kosten. Aber wenn es dann funktioniert, wäre die Technologie sicherer. Es könnte keine Kernschmelze geben und das Material, was da verwendet wird, das könnte man auch nicht militärisch nutzen. Und es wird halt viel weniger Atommüll produziert.

[00:13:55]

Also wir wären aber sehr weit in der Zukunft, eher, dass womöglich in Serie gehen könnte. Und wahrscheinlich sind auch deshalb ziemlich viele skeptisch, was dieses schöne Versprechen angeht. Gerade die, die sich aktuell um den Atommüll kümmern müssen. Also in Deutschland wird ja gerade ein Endlager gesucht. Dafür gibt es eine Bundes Gesellschaft für Endlagerung und Steffen Kanitz gehört da zur Geschäftsführung. Ich habe mit ihm darüber gesprochen, ob wir denn in unserer Zukunft mit Atomkraft dieses Müllproblem in den Griff kriegen würden.

[00:14:22]

Ich glaube schon an Fortschritt und ich glaube auch an die Wissenschaft. Und ich glaube daran, dass Technologien sich weiterentwickeln können. Was ich nicht glaube, ist, dass es Technologien gibt, die alle radioaktiven Abfälle ungeschehen machen. Wenn man so will, also verschwinden lassen. Das ist ein Versprechen, das ich nicht für realistisch halte. Neue Formen der Erzeugung von Energie aus Kernkraft würde immer dazu führen, dass weitere Abfälle produziert werden. Wir haben das Problem, dass wir viele Abfälle haben, die sich in GLA Strukturen befinden.

[00:14:49]

Die könnten selbst in diesem theoretischen Gedankenmodell im Moment diskutiert wird, nicht bestrahlt werden, um damit kurzlebiger gemacht zu werden. So oder so braucht es also ein Endlager für hochradioaktiven Abfallstoffe. Und ob das nun 30 000 Kubikmeter hat oder 15 000 Kubikmeter, das macht dann für die geologische Sicherheit auch keinen Unterschied mehr. Ich denke, man kann auch das eine tun, ohne das andere zu lassen. Wir gucken immer nach Alternativen und Sorgen wegen gibt es bessere Versorgungswege. Da sieht der Standort Auswahlverfahren vor.

[00:15:18]

Immer wieder rück Sprünge und Haltepunkte, zu denen wir uns vergewissern, dass nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik die Endlagerung tiefen geologischen Formationen immer noch der sicherste Weg ist. Das ist aktuell der Fall und deswegen müssen wir diesen Weg auch gehen, weil wir eine Verantwortung gegenüber von Generationen haben, dass sie sich nicht mehr darum kümmern müssen. Sie dürfen das, wenn sie zu der Überzeugung kommen, es gibt bessere Möglichkeiten, aber sie sollen es nicht müssen. Deswegen ist der Weg, eben jetzt ein Endlager zu suchen, auch genau der Richtige.

[00:15:45]

Glauben Sie, diese Suche wäre schwieriger, wenn der Atomausstieg wieder aufgehoben würde?

[00:15:51]

Ja, diese Suche würde deutlich schwieriger, weil alte Wunden aufgerissen würden und weil die Menschen vor allen Dingen nicht genau wissen, für wie viele Abfälle wir eigentlich ein Endlager suchen. Und das macht es eben kompliziert. Wir haben auch deshalb einen Konsens, weil die Menschen genau wissen, es handelt sich um den Gegenwert von etwa 1900 Castor-Behälter. Sie wissen, dass es sich um 30 000 Kubikmeter handelt. Das kann man sich ganz gut vorstellen. Das ist ein Würfel der Kantenlänge von etwa 30 Metern.

[00:16:16]

Das kann man sich auch räumlich ganz gut vorstellen. Damit ist es für die Menschen. FÃhrer In dem Moment, wo es offengehalten wird, bleibt es nicht greifbar. Dann gibt es immer wieder die Sorge bleibt, dass ein Endlager für die Abfälle, die in Deutschland produziert werden oder kommen nicht irgendwann auch andere Länder auf die Idee, wenn wir in Deutschland ein gutes Endlager haben, hier Abfälle zu lagern? Das ist heute sicher geregelt. Es handelt sich um ein Endlager nur für in Deutschland verursachte Abfälle.

[00:16:38]

Aber all diese Sorgen würden dann wieder aufkommen. Ich prophezeie, dass es dann deutlich schwierigere Diskussionen gibt als die, die wir jetzt schon haben, um Vertrauen zu schaffen in die Endlagerung.

[00:16:49]

Also beim Atommüll bleibt auch in unserer Zukunft noch die Frage Wohin damit? Dieses Problem? Das reicht auch richtig weit in die Zukunft. Soweit, dass es einen sehr spannenden Forschungszweig gibt, der nämlich sich die Frage stellt Wie können wir solche Endlager kennzeichnen, dass auch Menschen noch in 10000 Jahren wissen? Finger weg! Das ist richtig gefährlich. Hier und da versuchen eben viele schlaue Leute ein universell verständliches Symbol zu finden. Atom Semiotik heißt es.

[00:17:15]

Es ist echt schräg, aber nicht nicht blöd, sich da Gedanken zu machen. Aber so weit sind wir ja noch lange nicht. Wichtiger wäre ja, dass wir überhaupt erst mal ein Endlager finden. Finnland ist momentan das einzige Land, das zumindest schon einen Standort hat.

[00:17:27]

Finnland hat, wie es jetzt auch in Deutschland passiert, die Bevölkerung direkt eingebunden. Und letztlich haben die Leute vor Ort zugestimmt, weil sie sich vom Bau dieses Endlagers auch Jobs und Steuereinnahmen versprechen. Und in Finnland sollen in ein paar Jahren die ersten Brennstäbe eingelagert werden.

[00:17:49]

Also wenn ich jetzt in eine Zukunft mit Atomkraft schaue, dann habe ich natürlich auch sofort die Protest Bilder von früher vor Augen. Also Leute, die sich anketten an Gleisen, viel Polizei gegen die Castortransporte. Genau die Ostermärsche, die gegen Atomkraft sind. Das hat ja nachgelassen. Was wir jetzt aber sehen, sind die Friedas for Future Demonstrationen. Wie werden das in unserem Szenario?

[00:18:08]

Ja, dafür muss man beachten, dass Deutschland so ein bisschen eine spezielle Ausgangslage hat. Also ich habe darüber mit einem Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin gesprochen. Achim Brunnen Gräber. Der arbeitet am Forschungszentrum für Umweltpolitik und beschäftigt sich jetzt mit der Standortsuche für das Endlager und wie die deutsche Bevölkerung darauf reagiert. Und er hat mir erklärt, dass Deutschland eine ganz spezielle Beziehung zur Atomkraft hat. Es fing ja schon in den 70er Jahren an und ich erinnere mich nicht an die Siebziger, da war ich noch Kind.

[00:18:33]

Aber damals dieses Symbol, diese gelben Aufkleber auf den vielen Autos mit der Sonne und Atomkraft. Nein danke. Ja, und schon damals gab es diese scharfen Proteste gegen Atomkraft. Eine Umweltbewegung ist daraus entstanden, letztlich auch die Partei Bündnis 90 Die Grünen. Und dann hat ja Deutschland schon 2000 den ersten Atomausstieg beschlossen. Der wurde nochmal zurückgenommen, bis dann 2011 das Atom Unglück in Fukushima passiert ist. Und dann wurde der Atomausstieg endgültig noch einmal beschlossen. Also in Deutschland war das immer eine polarisierte Debatte, sagt Achim Brunn.

[00:19:06]

Gräber und das müssen wir uns immer vergegenwärtigen, dass wir hier eine spezielle Situation haben, von der Bewegung über die Parteiwerbung bis zu den Ausstiegs Beschlüssen. Immer wieder ein Kampf um die Atomenergie.

[00:19:22]

Und mal angenommen, die Politik würde jetzt z.B. aus Klima Gründen eine Rückkehr zur Atomkraft beschließen. Der erneute Ausstieg vom Ausstieg. Was wäre dann in der Gesellschaft los? Ihrer Meinung nach?

[00:19:32]

Ich sehe das als sehr sehr unwahrscheinlich an, dass das stattfinden kann. Vor dem Hintergrund der Entwicklung, wie sie sich in Deutschland vollzogen hat. In diesem Szenario in indem Deutschland den Ausstiegsbeschluss wieder kassiert, würde eine Protestwelle durch Deutschland gehen. Also es gab schon in den 70er Jahren die Debatten über erneuerbaren Energien, aber bei weitem nicht technologisch natürlich so weit entwickelt wie heute. Damals war der Protest schon erheblich gegen die Atomkraft. Heute, wo es die Alternativen gibt, die risikoarme sind, die billiger sind.

[00:20:13]

Wer dieser Protest noch viel, viel deutlicher als das vor 30, 40 Jahren der Fall war?

[00:20:20]

Wären denn Proteste durch die heutige Klimaschutz Bewegung verändert? Also was würde passieren mit diesem Konsens, der sich über Jahrzehnte entwickelt hat, bis hin zum Atomausstieg?

[00:20:30]

Es gibt jetzt eine neue Generation, die mit dem Thema nochmal anders umgehen, die andere energiepolitische Vorstellungen haben. Und da spielt schon auch hie und da das ist unsere Beobachtung die Überlegung eine Rolle, ob denn nicht modulare kleine Reaktoren eine Alternative sein könnten und uns voranbringen könnten. Und das ist etwas, was durchaus auch für jüngere Menschen attraktiv sein könnte, die diesen Atomkonflikt, diese Polarisierung in Deutschland gar nicht zu kennen.

[00:21:04]

Mich hat das ja verwundert. Fairer als die Friedas for Future Demo mal hier Langgezogenes am Hauptstadtstudio. Da hab ich tatsächlich so Schilder gesehen mit Atomkraft. Ja bitte.

[00:21:12]

Ja, also die laufen damit. Das ist jetzt nicht das Offizielle, was Friedas for Future vertritt. Die sagen Atomenergie ist keine Alternative. Aber es gibt Klimaschützer, Unterstützerinnen, die für Atomkraft sind, sogar eine ganze Bewegung. Die nennt sich die öko Moderne. Da gehört auch die Anna Veronika Wendland dazu, die wir vorhin gehört haben, die von der Atomkraft Gegnerin zur Befürworterin geworden ist.

[00:21:33]

Also die sind dafür, mit Atomkraft die Umwelt zu schützen. Ja und das geht noch weiter. Die Öko Modernisten sind für neue Technologien, für intensives Wirtschaften, also das auch durch weniger Flächenverbrauch dann letztlich die Natur geschützt wird, z.B. ein kleines Atomkraftwerk lieber als eine große Fläche von Windrädern zu bauen, auch um unseren hohen STANDARD zu halten, was ja den Energiebedarf angeht.

[00:21:57]

Mal angenommen, wir kehren zur Atomkraft zurück, dann fasse ich jetzt mal zusammen, was das im besten Fall bedeuten würde.

[00:22:05]

Mit mehr Atomkraft schaffen wir es, viel CO2 einzusparen und die Klimaziele zu erreichen. Neue Technologien machen die Reaktoren sicherer und effizienter. Zudem kann das Material nicht militärisch genutzt werden. Es entsteht weniger Atommüll. Und in den neuen Reaktoren werden wir sogar noch ein paar alte Brennstäbe los. Für das, was übrig bleibt, gibt es ein Lager dort. Die Bevölkerung hat nach einem langen Beteiligungsprozess zugestimmt und übernimmt so Verantwortung für nachfolgende Generationen, damit sie jetzt die Vorteile der Atomkraft nutzen kann.

[00:22:35]

Denn die meisten halten es für richtig und wichtig, durch Atomenergie gleichzeitig das Klima zu schützen und den hohen Lebensstandard erhalten zu können.

[00:22:44]

Justus und die strahlende Zukunft.

[00:22:46]

Aber es kann natürlich auch. Anders kommen die alten Atomkraftwerke laufen weiter. Kurzfristig spart das zwar CO2 ein, die Bundesregierung lässt aber ihre Bemühungen schleifen. Die erneuerbaren Energien speichern Techniken und das Stromnetz auszubauen. Deshalb stockt es bei der Energiewende. Zwar sollen die alten Meiler modernisiert werden, aber die Kosten dafür steigen ständig. Auch neue Anlagen sind viel zu teuer. Bei den neuen Reaktoren zieht sich die Entwicklung in die Länge, weil schon beim Prototypen Probleme auftreten. Die Menge des Atommülls wächst und so auch die Proteste gegen ein Endlager.

[00:23:22]

Die Sorgen vor der radioaktiven Strahlung und vor einer Atomkatastrophe treiben die Menschen auf die Straße. Tja, düster.

[00:23:30]

Wir haben jetzt viele Positionen für oder dagegen gehört. Aber wo sich tatsächlich alle einig sind Unser Szenario ist Stand jetzt völlig unwahrscheinlich. Keiner der im Bundestag vertretenen Parteien außer der AfD setzt auf Atomkraft.

[00:23:43]

Und in der Bevölkerung gab es ja auch lange einen großen Konsens für den Ausstieg. Natürlich kommt es immer ein bisschen darauf an, wie man die Frage stellt. Das Meinungsforschungsinstitut INSA hat vergangenes Jahr gefragt Sollen die Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke im Sinne des Klimaschutzes verlängert werden? Und dafür waren 35 Prozent dagegen 40 Prozent. Der Rest war unentschieden. Also vielleicht knapp. Aber man kann sagen trotzdem noch eine Mehrheit für den Ausstieg.

[00:24:09]

Also weder in der Politik noch in der Gesellschaft gibt es derzeit eine Mehrheit, die zurück zur Atomkraft will. Anders sieht das in anderen Ländern aus Großbritannien und USA. Die Bauen aus Frankreich modernisiert die Atomkraftwerke und die Vereinigten Arabischen Emirate haben letztes Jahr die erste Anlage in Betrieb genommen. Also auch wenn Deutschland aussteigen will für andere Länder könnte unser Szenario durchaus Realität werden.

[00:24:32]

Der Ausstieg aus dieser Podcastfolge ist jedenfalls beschlossene Sache. Und sicher wir freuen uns, wenn ihr euch meldet mit Feedback oder Themenvorschläge an unsere Mailadresse. Mal angenommen tagesschau.de Wir drehen die Regler runter.

[00:24:45]

Vielen Dank fürs Zuhören. Eine neue Folge von mal angenommen gibt es kommenden Donnerstag. Bis dahin es gut tüvs.