Kampf gegen Straßenlärm - Die quälende Kakophonie des Alltags
Hintergrund - Deutschlandfunk- 1,131 views
- 29 Aug 2020
Die einen fordern Fahrverbote und als Reaktion darauf lassen die anderen ihre Motoren richtig aufheulen. Allein der Motorrad-Streit aus diesem Sommer zeigt, wie schwierig es ist, den Straßenlärm einzudämmen. Eine der Folgen: In Deutschland ist es vielerorts lauter als empfohlen. Von Benjamin Dierks www.deutschlandfunk.de, Hintergrund Hören bis: 19.01.2038 04:14 Direkter Link zur Audiodatei
Kakofonie des Alltags, der aussichtslose Kampf gegen den Straßenlärm. Eine Sendung von Benjamin Dierks.
Sonja Schucht verschafft sich gerne selbst einen Eindruck, wenn es in ihrer Gemeinde Probleme gibt. Immer wieder hörte die Bürgermeisterin im baden württembergischen Saalbach Walden Klagen von Anwohnern, dass am Wochenende oder an Feiertagen im Garten das Café Geschirr klirren, wenn laute Motorräder vorbeifahren. Also schnappte er sich ein Aufnahmegerät und stellte sich an den Straßenrand.
Nämlich die. Das sieht man doch sehr laut. Ihre Aufnahmen bestätigen, was sie erwartet hatte. Motorradfahrer ist nicht gleich Motorradfahrer. Einige fahren in moderatem Tempo und vergleichsweise ruhig an ihr vorbei. Andere drehen kräftig auf und fahren entsprechend laut. Aber die wenigen Lauten reichen aus, um den Anwohnern der zweieinhalbtausend Seelen Gemeinde am westlichen Rand des Nordschwarzwald das Leben schwer zu machen. Vor allem hier, an der Strecke hinauf zum benachbarten Berggipfel Honest Grinder, fand Schuster die Beschwerden der Anrainer bestätigt.
Das ist tatsächlich über das normale Maß hinausgeht, was die Lautstärke von diesen Motorradfahrern betrifft. Vor allen Dingen, weil natürlich kurvige und steile Strecken haben und das nach oben führt, so Hannes Grinder. Und natürlich bei Destillierte ist, um hier Gas zu geben und damit auch zu zeigen, wie laut das eigene Motorrad sein kann.
Auch ein Messgerät installierte Schurter. Bis zu 101 Dezibel waren einige der vorbeifahrenden Maschinen laut. Erlaubt sind bei neuen Motorrädern 77 Dezibel, die allerdings in einem standardisierten Verfahren gemessen werden, das mit der tatsächlichen Fahrsituation wenig zu tun hat. Zudem sind die Maschinen so intelligent, dass sie die Test Situationen erkennen und mit Auspuff klappen, die Lautstärke drosseln. Auf der Straße sind sie lauter. Das häufige Aufheulen der Motoren kann Experten zufolge besonders belastend sein. Lärm wird definiert als unerwünschter Schall.
Er ist ein Umweltgift, das krank machen kann. Wie belastender ist, hängt neben der Lautstärke vom subjektiven Eindruck ab. Ein dröhnendes Flugzeug oder ein quietschende Zug können also ebenso Lärm sein wie scheppernde Musik aus dem Handy in der U-Bahn, der Rasenmäher des Nachbarn oder die Mischung aus Telefonaten, Tratschen und Tasten Klappern im Großraumbüro. Aber die größte Lärmquelle ist der Straßenverkehr, sagt Bürgermeisterin. Schuster hat mit ihrem Engagement dazu beigetragen, dass in Deutschland in diesem Sommer so kontrovers wie lange nicht über Lärmbelastung und Lärmschutz gestritten wird.
Weil ich gesagt habe, es muss eine Möglichkeit geben, dass wir genau diese schnellen und lauten Motorradfahrer besser einigen können. Das heißt hier auch mal halbe Haftung in Erwägung ziehe und auch das Thema Kontrollen verstärken.
Schutter alarmierte den Baden-Württembergischen Lärmschutz Beauftragten und Landtagsabgeordneten der Grünen, Thomas Marwin. Der holte Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann ins Boot. Ebenfalls grüner Bürgermeister, Kollege aus Nordrhein-Westfalen meldete sich. Auch er kämpfte in seiner Gemeinde gegen Motorrad, Lärm, Schurter und Marwin gründeten die Initiative Motorrad Lärm, der bis heute 124 Städte, Gemeinden und Landkreise aus Baden-Württemberg beigetreten sind. Sie fordert leisere Fahrzeuge, neue Grenzwerte, mehr Rücksicht der Fahrer, stärkere überwachung, härtere Strafen und notfalls auch die Möglichkeit für Fahrverbote an Sonn und Feiertagen auf besonders belasteten Strecken.
Wir möchten die Motorradfahrer sensibilisieren. Wir möchten sie weiter willkommen heißen, aber nur dann, wenn sie auch die entsprechende Rücksichtnahme auf unsere Anwohner, auf unsere Gäste ausüben.
Im Mai brachte Nordrhein-Westfalen die meisten dieser Forderungen in den Bundesrat ein, samt möglicher Fahrverbote. Und die Länderkammer stimmte zu. Das saß Bundesrat. EU-Beschlüsse locken sonst kaum jemanden hinter dem Ofen hervor. Aber ein mögliches Fahrverbot schreckte Motorradfahrer, Politiker und Hersteller auf und war bald das Einzige, was in Berichten, Debatten und Protesten von der Initiative übrig blieb. Zum anfänglichen Verdruss von Sonja Schuster. Denn die Bürgermeisterin, die den Kampf gegen Motorrad Lärm von Weiden in die Bundeshauptstadt getragen hatte, will eigentlich niemandem das Fahren verbieten.
Für sie sind Strecken Sperrungen nur letztes Mittel, wenn alle anderen Maßnahmen nicht greifen.
Und dann liest man in der Presse und hört Fahrverbot an Sonn und Feiertagen für Motorräder, was natürlich sehr pauschal dann auch publiziert wurde. Aber im Nachhinein, muss ich sagen, war es gut, weil es wirklich die Aufmerksamkeit auf diese Bundesratsinitiative lenkte. Bisher gab es auch dem Motorrad Lärm. Es gab auch immer ärGer. Es gab auch immer. Das Thema ist muss leiser werden. Aber geändert hat sich in den letzten Jahren ja nichts.
Ob die Bundesratsinitiative Erfolg haben wird, ist unklar. Sie müsste zunächst vom Bundestag angenommen werden, aber die Reaktionen waren mitunter heftig. Wie häufig, wenn es den Deutschen an die motorisierte Freiheit geht? Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer lehnte die Forderungen ab und stellte sich stattdessen demonstrativ hinter protestierende Biker. Wie auch die bayerische Landesregierung fast alle Medienberichte taten so, als fordere der Bundesrat ein generelles Fahrverbot an Sonn und Feiertagen. Experten bescheinigten den Forderungen aus der Länderkammer, dass sie realitätsfern seien.
Motorradfahrer und ihre Verbände wehrten sich dagegen, dass, wie sie sagten, wegen ein paar schwarzer Schafe nun alle büßen müssten. Sie taten ihre Ablehnung teils trotz Verbots zu Tausenden auf zahlreichen Demonstrationen in München, Leipzig, Berlin und anderen Städten kund. Um den Vorwurf zu entkräften, sie führen dauernd in Kolonne und machten Lärm. Taten sie genau das. Sie fuhren in Kolonne und machten jede Menge Lärm. Aber Sonja Schuster kann auch von anderen Begegnungen berichten.
Umgekehrt hat es jetzt so viel Gespräche auf Grund dieser Demonstrationen und so weiter gegeben, dass viele Motorradfahrer kennengelernt habe, die uns jetzt helfen. Die Motorradfahrer in erster Linie sensibler zu machen für die Belange der Anwohner und auch in touristischen Bereichen für die Belange der Feriengäste.
Bei aller Kontroverse und trotz augenscheinlich unversöhnliche Haltungen ist etwas in Gang gekommen eine Debatte darüber, was Lärmschutz wert ist und wie viel Freiheit und Mobilität er kosten darf. Diese Debatte müsse überall dort geführt werden, wo Menschen unter Lärm litten, sagt René Weinhandel, Leiter des Fachgebiets Lärmminderung im Verkehr des Umweltbundesamtes.
Es ist ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs, der dazu führen ist Zu welchen Zeiten wollen die Leute reisen? Wie viel mobiler Individualverkehr soll sein? Was wollen wir uns da leisten? Damit wir das abschätzen können, müssen wir eben auch wissen, welche Folgen das hat. Und das ist ein wichtiges Element, immer wieder darauf hinzuweisen, dass Lärm auch das Risiko für bestimmte Krankheiten erhöht. Und das müssen die Menschen wissen, denn es muss ja in die Abwägung einfließen.
8,4 Millionen Menschen in Deutschland sind nach Schätzungen des Umweltbundesamtes gesundheitsgefährdend im Straßenlärm ausgesetzt, 6,4 Millionen laut im Schienenverkehr und 850000 Flugverkehrs. Lärm. Nach aktuellen Umfragen des Amts fühlen sich drei Viertel der Deutschen durch Straßen Verkehrslärm belästigt, gefolgt von Nachbarschaft, Lärm, Schienen und Flugverkehr. Die Europäische Umweltagentur warnt in ihrem diesjährigen Bericht über umgebungslärm in Europa, dass die Belastung zunehme, wobei viele Menschen nicht um die Auswirkungen auf ihre Gesundheit wüssten. Die Prognose sei düster, sagt Alija Pires, Expertin der Europäischen Umweltagentur.
20 Prozent der europäischen Bevölkerung sind langfristigen Lärmpegel ausgesetzt, die für ihre Gesundheit schädlich sind. Dies entspricht mehr als 100 Millionen Menschen in Europa. Die Daten deuten auch darauf hin, dass die politischen Ziele in Bezug auf umgebungslärm nicht erreicht wurden. Nach unseren Prognosen ist es nämlich unwahrscheinlich, dass die Zahl der Menschen, die Lärmbelastung ausgesetzt sind, in Zukunft deutlich zurückgehen wird.
Ein dauernder Schallpegel von 65 Dezibel allein kann ausreichen, um der Gesundheit zu schaden. So laut ist in etwa einem vorbeifahrenden Auto aber auch Ob ein Geräusch als angenehm oder störend wahrgenommen wird, könne einen Einfluss darauf haben, wie es auf Geist und Körper wirkt, sagt André Fiebig, Psycho, Akustiker von der Technischen Universität Berlin.
Das wissen wir auch gerade aus der Forschung, dass akustische Eigenschaften wie klingt das Geräusch nicht nur wie laut es ist, sondern klingt das tonal, ist das Schaf, das eher konstant oder die ganze Zeit variabel, dass das sehr stark die Wirkungen modifiziert.
Lärm kann zu Herzinsuffizienz, Schlaganfall und Herzinfarkt führen. Kinder können Lernschwächen entwickeln, auch psychische Erkrankungen drohen, und Lärm betrifft besonders sozial Schwache. Wer dauerhaft mehr als einer Lärmquelle ausgesetzt ist, also etwa sowohl einer vielbefahrenen Straße als auch Bahnschienen, leide besonders, sagt Andreas Seidler, Professor für Arbeits und Sozialmedizin an der Technischen Universität Dresden. Und das seien vor allem Menschen mit vergleichsweise wenig Geld.
In Regionen mit einem niedrigen sozialen Status war solche Kombination aus Lärmbelastung teilweise um mehr als das Zehnfache erhöht.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt etwa, dass der Straßenverkehr Lärm einen Mittelwert von tagsüber 53 Dezibel und nachts 45 Dezibel nicht überschreiten sollte. Ein großer Teil der Bevölkerung sei allerdings weitaus höheren Werten ausgesetzt, sagt André Fiebig von der TU Berlin.
Wir uns die belasteten Menschen anschauen, haben wir da nicht wirklich viel erreicht. Der Anteil an Personen, die gesundheitsgefährdenden Lärm ausgesetzt wurde, ist nahezu konstant. Da haben wir nur wirklich kleine Erfolge verbuchen, was natürlich auch damit zu tun hat, dass die verkehrsmäßig weiter zunimmt.
Die Fortschritte in Deutschland reichten nicht aus. Da stimmt auch die EU-Kommission zu. Gemäß der umgebungslärm Richtlinie der Europäischen Union wird die Belastung der Bevölkerung im Abstand von fünf Jahren in Lärm Karten erhoben. In der aktuellsten Liste von 2017 waren demnach gut 19. Der deutschen Bevölkerung einem kritischen Wert von mehr als 65 Dezibel ausgesetzt. Die EU-Kommission leitete im selben Jahr ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein und forderte ein entschiedenes Vorgehen. Kampf gegen Lärm also vernachlässigt? Zum Teil liege das Problem bei gesetzlichen Vorgaben, sagt René Weinhandel vom Umweltbundesamt.
Etwa bei der Zulassung von Motorrädern.
Die Typ Prüfungs Zulassungs Werte, die wir momentan gerade bei den Motorrädern haben, sind einfach nicht geeignet, um das Problem Lärm durch Motorräder in den Griff zu kriegen.
Eine änderung sei aber schwierig, weil die Zulassung international geregelt sei. In vielen Fällen müssten für mehr Lärmschutz aber gar keine Gesetzeslücken geschlossen werden, sagt Arbeits und Sozialmediziner Andreas Seidler von der TU Dresden. Es reichten die Mittel, die Politik und Verwaltung zu handhaben. Geschwindigkeitsbegrenzungen etwa könnten bereits helfen.
Eine Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern könnte Herz-Kreislauf-Erkrankungen um etwa ein Viertel unseren Abschätzungen gemäß in Ballungsgebieten verringern und damit schon einen deutlichen Einfluss auf die Gesundheitsrisiken durch Verkehrslärm haben.
Um zwei bis drei Dezibel ließe der Straßen Verkehrslärm sich dadurch senken, hat Seidler errechnet. Ein Blick nach Berlin zeigt aber, dass eine Maßnahme wie flächendeckendes Tempo 30 alles andere als einfach umzusetzen wäre. Jörg Captains hat damit regelmäßig zu kämpfen. Der Referent für Verkehrslärm in der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz kümmert sich darum, dass in der Stadt der Lärmaktionsplan umgesetzt wird. Der ist durch die umgebungslärm Richtlinie der EU vorgeschrieben, die fast wortgleich in deutsches Recht übernommen wurde.
Tempo 30 sei ein wirksames Mittel, sagt Captain, aber für den Lärmschutz lasse es sich in der Regel höchstens nachts durchsetzen.
Am Tag sind sehr häufig Kapazitäten Fragen, die dagegen stehen. Das heißt tatsächlich Fragen des Wirtschaftsverkehr Lieferverkehr, denen wir ja in der Stadt haben. Das wird alles verlangsamt, und insofern kostet Zeit Geld. Das wissen wir ja. Und da haben wir Widerstände.
In Berlin wird emsig gebaut, Flugzeuge fliegen und Züge rattern in Clubs, wo man die Bessel zumindest zu normalen Zeiten, bei den Nachbarn manchmal auch. Und mehr als 5000 Demonstrationen zogen im vergangenen Jahr durch die Stadt. Wieder mal ein Rekord, aber keine Lärmquelle belastet mehr Menschen als der Straßenverkehr. EU und Bund schreiben bei neu angelegten Straßen zwar Grenzwerte vor, bei bestehenden aber nicht. Berlin hat sich deshalb Schwellenwerte für den Straßenverkehr gesetzt. Ab einer Belastung von 75 Dezibel am Tag und 60 in der Nacht soll dringend etwas unternommen werden, um den Lärm zu senken.
Bei 65 Dezibel am Tag und 55 in der Nacht zumindest mittelfristig. Die Werte liegen deutlich über dem, was die WHO empfiehlt. Rund 250 000 Berliner sind tagsüber in ihren Wohnungen einem Schallpegel ausgesetzt, der krank machen kann. Dennoch sei kaum eine Tempo 30 Anordnung in der Stadt für den gesamten Tag nur deswegen eingeführt worden, um den Lärm zu mindern, sagt Verkehrslärm. Referent Captain. Das ist auch leiser. Wird Wenn Autofahrer gezwungen sind, das Tempo zu drosseln, ist er ein angenehmer Nebeneffekt.
So wie kürzlich, als auf mehreren Straßenabschnitte in der Stadt Tempo 30 verhängt wurde, um die Luft weniger zu belasten.
Die Straßen, wo es überschreitungen der Luftschadstoffe Grenzwerte gibt, sind eindeutig auch sehr hoch belastete Lärm. Schwerpunkte.
Weniger umstritten als Tempo 30 sind technische Lösungen wie sogenannte Flüsterasphalt, der für leisere reifen Geräusche sorgt, oder Schallschutzwände. Elektroautos hingegen seien nicht so hilfreich wie gemeinhin angenommen, sagt Andreas Seidler von der TU Dresden.
Elektroautos sind zwar im niedrigen Geschwindigkeitsbereich erheblich leiser als klassische Verbrennungsmotoren getriebene Autos, aber ab einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometer aufwärts überwiegen die Geräusche im Motor. Insofern haben Elektroautos keinen Vorteil mehr, was die Lärmbelastung angeht.
Bei höheren Geschwindigkeiten auch kurzfristig angeordnete Maßnahmen während der Coruna Pandemie wie Popup. Radwege auf Hauptverkehrsstraßen hätten dazu beigetragen, die Lärmbelastung zu drosseln, sagt Jörg Captains. Durch den weggefallenen Fluglärm und die Bewegungseinschränkungen nahm Lärm vorübergehend weltweit so stark ab, dass sogar Seismologen es messen konnten. Welche langfristigen Folgen die Pandemie haben wird, ob es leiser wird, weil mehr Menschen zu Hause arbeiten und sich den Weg ins Büro sparen oder lauter, weil mehr Leute öffentliche Verkehrsmittel meiden und ins Auto steigen, mag kein Experte prognostizieren.
Doch durch das Wachstum der Stadt müssten sich einige Bewohner eher darauf einstellen, dass es noch lauter werden könnte, sagt Psycho Akustiker André Fiebig. Sprechen gibt es natürlich auch Entwicklungen, die eigentlich eigentlichen Lärmschutz Gedanken zuwiderlaufen. Das haben wir zum Beispiel bei der neuen Gebiets Kategorie in der Stadt Urbane Gebiet, wo wir höhere Grenzwerte ansetzen. Das heißt, wir können dann wieder eine Innenstadt bebauen, realisieren, obwohl es da eigentlich verhältnismäßig laut ist. Die Personen, die dort leben, müssen dann mit höheren Grenzwerten rechnen.
Und das ist sicherlich eine Entwicklung, die wir jetzt nicht unbedingt begrüßen können.
Hier liegt das große Dilemma im städtischen Kampf gegen den Lärm. Auf der einen Seite wird viel getan, um den Krach einzudämmen. Auf der anderen Seite ziehen immer mehr Menschen hinzu, fahren mehr Autos, wohnen enger aufeinander und gestalten die Stadt auf lärmigen Baustellen um. Das urbane Gebiet entstand als category im deutschen Baurecht, als Antwort auf diesen Trend. Um in den zentralen Wohngebieten wachsender Städte leichter zusätzlich bauen zu können, zu verdichten, wie es ihm Stadtplaner Deutsch heißt. Hier müssen die Anwohner also mit mehr Baulärm rechnen.
Es darf dichter und höher gebaut werden als in reinen Wohngebieten. Außerdem soll hier ebenso gearbeitet wie gewohnt werden. Auch deshalb darf es lauter werden. Bei so viel Lärm in den Städten wird es wichtiger, dass Bewohner mit der dauernden Beschallung besser umgehen und sich ihr auch entziehen können. Die Architektin Antonella Radicchio hat vor drei Jahren schon an der TU eine App entwickelt, in der die Nutzer Orte in der Stadt markieren, deren Geräuschkulisse aufzeichnen und bewerten können, ob sie sie etwa als angenehm oder belastend, lebhaft oder ruhig empfinden.
Hash City heißt die App, die stille Stadt.
Es ist gut, Lärmpegel zu messen, vor allem, weil es wichtig ist, die Gesundheit der Menschen zu schützen. Aber gleichzeitig müssen wir auch verstehen, welche Geräusche die Menschen mögen und welche nicht.
Mit Hilfe der App durch Umfragen und Spaziergänge mit Anwohnern hat radix ein Netzwerk an Rückzugsorte erstellt, an denen Menschen mitten in der Stadt Ruhe oder zumindest angenehme Geräusche vorfinden. Das kann ein Spielplatz sein, ein Park oder eine Bank am Kanal. Die EU hat das Konzept mittlerweile in ihre umgebungslärm Richtlinie übernommen und verlangt von den Kommunen, dass sie ruhige Orte ausweisen und schützen. Denn Studien haben gezeigt, dass Menschen durch solche Orte entlastet werden.
Wenn ich direkt vor meiner Haustür ein ruhiges Bad habe, wo ich mich erholen kann, wo ich mich zurückziehen kann, dann empfinde ich auch die Verkehrs und Lärmbelastung in der Wohnung als geringer.
Solange der Mensch also den selbstverschuldeten Lärm nicht verschwinden lassen kann, hilft es nur, dass er selbst ab und zu verschwindet, und sei es nur in den Park um die Ecke.
Das war der Hintergrund Kakofonie des Alltags, der aussichtslose Kampf gegen den Straßenlärm. Eine Sendung von Benjamin Dierks Redaktion. Bastian Rohde.