#100 - Bernd Gomeringer: Wann Kinder psychologische Hilfe benötigen
Steingarts Morning Briefing – Der Podcast- 1,593 views
- 3 Dec 2020
Wut, Verzweiflung, aber auch ambivalente Gefühle von Freude, Freundschaft und Verbundenheit sind häufig Teil der Gefühlswelt junger Patienten und Patientinnen in Jugendpsychiatrien. In dem Buchprojekt „Vögel im Kopf. Geschichten aus dem Leben seelisch erkrankter Jugendlicher“ hat der Herausgeber und ehemalige Banker Bernd Gomeringer mehr als 60 Lebensgeschichten zusammengetragen, die deutlich machen, wie schwer es ist, anderen den inneren Zustand zu vermitteln. Im 8. Tag spricht Bernd Gomeringer über Hoffnung und Genesung - und darüber, wie Eltern ihren Kindern durch schwere Phasen beistehen können.
Einen wunderschönen guten Abend allerseits. Mein Name ist erleb, Ioan und das ist der achte Tag. Schön, dass Sie dabei sind. Depression, Zwangshandlung, Panikattacken, Magersucht all das sind nicht nur Erkrankungen, sondern auch gesellschaftliche Tabus, worunter Kinder und Jugendliche besonders leiden. Wenn Kinder und Jugendliche mit einer psychischen Erkrankung in einer Klinik aufgenommen werden, empfinden das viele Familien als Scheitern. Doch wie erleben es die Betroffenen eigentlich selbst? Die Kinder und Jugendlichen, die nicht nur unter einer seelischen Erkrankung leiden, sondern zusätzlich auch noch unter dem Gefühl, anders krank zu sein als andere anders zu sein als andere?
Darüber möchte ich heute mit Bernd Gomringers sprechen. Hallo Herr Gomringer, willkommen zum achten Tag.
Hallo Frau Roan, vielen Dank für die Einladung. Freue mich, dabei zu sein. Herr Gomringer, stellen Sie sich uns doch einmal vor. Mein Name ist Gomringer. Ich bin 55 Jahre alt und ein Mitherausgeber des Buches Vögel im Kopf. Geschichten aus dem Leben seelisch erkrankter Jugendlicher. Ich arbeite seit mittlerweile zirka 28 Jahren in der Kinder und Jugendpsychiatrie in Tübingen. Begonnen habe ich meine berufliche Laufbahn allerdings als Bankkaufmann auf der Schwäbischen Alb, wo ich ursprünglich herkomme. Habe einige Jahre dort gearbeitet, dann meinen Zivildienst gemacht und gemault.
Die Arbeit mit Kinder und Jugendlichen macht mir deutlich mehr Spaß als die Arbeit mit Geld. Dann habe ich mich entschlossen, eine Ausbildung in Tübingen zu machen zum Kinderkrankenpflege. Und seither bin ich in der Kinder und Jugendpsychiatrie. Ich habe einen Großteil dieser Zeit auf Station gearbeitet, in der therapeutischen Arbeit mit Jugendlichen. Seit einigen Jahren arbeite ich jetzt auch ausschließlich im administrativen Bereich Belegungen, Management oder medizinische Dokumentation und ähnliches. Und zu diesem Buch gekommen bin ich durch die Arbeit in unserem Förderverein.
Der ist seit über 25 Jahren sich zur Aufgabe gemacht hat, die Vorbehalte gegenüber psychisch erkrankten Jugendlichen und Kindern abzubauen und das Ganze etwas mehr an die Öffentlichkeit zu bringen. Und heute Abend, Herr Gomringer, fordern Sie ja etwas von uns. Sie fordern, dass wir als Gesellschaft besser, offener und ein Stück weit auch normaler mit psychischen Erkrankungen und natürlich mit psychisch Erkrankten umgehen. Sie haben das Wort.
Ich habe eine Forderung. Ich habe aber auch einen Wunsch. Ich würde mir wünschen, dass es zukünftig möglich wäre, für alle psychisch Erkrankten oder auch ihr Umfeld offen über die Erkrankungen und über die Probleme, die damit zusammenhängen, sprechen zu können. Aber ich habe ja vor allen Dingen die Forderung an uns alle, an die Gesellschaft, sich dieses Themas anzunehmen, damit es irgendwann möglich sein sollte, dass man über dieses Thema sprechen kann, ohne dass das ganze Umfeld verstummt.
Wenn es mir schlecht geht, lese ich nur im Bett. Schlaf, damit die Zeit schnell vorbeigeht und kommt dann doch der Gedanke, dass vielleicht das Herz aufhört zu schlagen und dass man einfach einschläft, erleben wollen. Ich finde es nicht schlimm, wenn ich nicht mehr da bin. Die wenigsten wissen, dass ich jetzt hier, wenn dann für mich irgendwie man fragt Wollen wir uns mal treffen? Eigentlich ja manchmal in einer Auszeit, als es mir peinlich ist, dass ich bin in der Klinik.
Es sollte möglich sein, darüber zu sprechen, ohne dass man als stigmatisiert abgestempelt wird, ohne dass es als Makel oder Mängel gesehen wird. Bei allen anderen Erkrankungen gibt es viel Verständnis. Es gibt Mitleid. Man fragt nach, wenn jemand sagt Ich bin depressiv oder ich habe eine Magersucht, dann verstummt das Umfeld und es wird über nichts mehr gesprochen. Und da möchte ich, da möchten wir mit unserem Buch hinkommen, einen kleinen Schritt zu tun, damit man darüber öfter und offener sprechen kann, damit man in der Öffentlichkeit dazu stehen kann, dass man Probleme hat, die manchmal schon vorbei sind.
Und das ist im Moment noch kaum möglich. Es gibt ganz viele Beispiele, Dinge, auf die wir im Gespräch sicherlich noch kommen werden. Woran man sieht, dass es halt nicht möglich ist, offen in der Gesellschaft, in der Öffentlichkeit darüber zu sprechen, dass man eine psychische Erkrankung hat.
Das Buch, das Sie eben auch angesprochen haben. Das heißt Vögel im Kopf. Darin haben Sie Geschichten aus dem Leben seelisch erkrankter Jugendlicher, aber auch ihrer Eltern, ihrer Geschwister, ihrer Therapeuten zusammengestellt und eigentlich auch kuratiert. Fast schon gibt es etwas, also ein Gefühl oder einen Gedanken, der sich durch all diese Geschichten zieht oder durch die meisten dieser Geschichten. Also der Gedanke, der sich durch die Geschichten zieht, ist häufig. Ich möchte darüber sprechen. Ich möchte, dass andere sehen, wie es mir geht, dass andere verstehen, was wir durchgemacht haben.
Aber das andere überhaupt. Erst mal hören, was dahinter steckt. Was empfinden wir? Was empfinden nicht nur die Patienten? Was empfinden auch die Geschwister, die ja häufig dann zurückgesetzt in ihrer Familie, Wilddieb, erkrankten Jugendlichen oder Kinder so viel Raum brauchen? Was empfinden wir Mitarbeiter, was empfinden die Lehrer? Das ist so der Gedanke dahinter, dass wir einfach mit dem, was uns tagtäglich beschäftigt, in jeglicher Form an die Öffentlichkeit gehen können, darüber sprechen können, unsere Nöte, unsere Sorgen auch mitteilen können.
Das ist also die These meines Gastes. Und vermutlich haben Sie genauso wie ich noch einige Fragen dazu, um das gesamte Gespräch zu hören. Können Sie sich als Pionier einfach einloggen und weiter hören? Direkt auf The Pionier D oder in Ihrer Lieblings Podcast App, also auf Apple Podcast et cetera? Wenn Sie noch kein Pionier sind, tja, dann würde ich mich freuen, wenn Sie es werden. Sie können dann diesen Podcast einfach weiter hören. Aber auch alles andere, was wir Journalisten auf der Pionier tun, hören, lesen und sehen tägliche Podcasts, Newsletter, Artikel, Veranstaltungen und Live Journalismus, Politik, Wirtschaft, Tech News, Börse und Kultur Wir bieten Ihnen werbefreien Qualitätsjournalismus.
Das einzige, was wir dafür brauchen, sind Sie. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend. Ihre Alev Doğan.