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[00:00:08]

Einen wunderschönen guten Morgen allerseits. Mein Name ist Alev Doğan und das ist der achte Tag. Schön, dass Sie dabei sind. Ich begrüße Sie an diesem Karfreitag morgen zu unserem achten Tag. Spezial Spezial, weil wir an diesem Morgen uns ein wenig mehr Zeit nehmen möchten als sonst und weil wir eine besondere, eine große Vision besprechen. Wir denken heute nicht nur Deutschland neu, sondern die Europäische Union. Und wir sprechen darüber, ob und weshalb Europa neue Grundrechte braucht.

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Dazu haben wir zu Gast im achten Tag. Ferdinand von Schirach Ferdinand von Schirach ist Jurist, Schriftsteller und Dramatiker, und er gehört zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren unserer Zeit. Und er hat jetzt in seiner neuen Schrift mit dem Titel Jeder Mensch sechs neue Grundrechte für Europa formuliert, die so das Ziel die europäische Verfassung erneuern und erweitern sollen. Bürgerinnen und Bürger können den Appell unterstützen, indem sie die Petition unterschreiben. Das Ziel Ein Verfassungskonvent soll die Charta der Grundrechte der EU um folgende Grundrechte erweitern Das Grundrecht auf eine gesunde und geschützte Umwelt, auf digitale Selbstbestimmung, auf überprüfbare Algorithmen, das Recht auf Wahrheit sowie das Recht ist uns nur solche Waren angeboten werden, die unter Wahrung der universellen Menschenrechte hergestellt werden.

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Das sechste Grundrecht ist die juristische Stellschraube, durch die diese neuen Rechte erst ihre volle Wucht entfalten. Die Grundrechts Klage Jeder Mensch soll bei systematischer Verletzung dieser Charta Grundrechts Klage vor den europäischen Gerichten erheben können. Hören Sie jetzt diesen achten Tag Spezial mit Ferdinand von Schirach. Herzlich willkommen! Ferdinand von Schirach Hallo Herr von Schirach, Sie haben sich über Corona hingesetzt und sechs neue Grundrechte für Europa formuliert.

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Warum also das Ganze kam so 1.7. Hat die Bundesregierung die Ratspräsidentschaft für Europa übernommen? Das geht ja immer sechs Monate. Und ich war da auch eingeladen. Das war eine Sendung des ZDF. Und wann? Lauter große Politiker und ich mehr oder weniger als Hofnarr, glaube ich. Und ich hatte zuvor in einem Buch mit Alexander Kluge über die Frage geschrieben, was denn aus diese Pandemie eigentlich wird. Und ein bisschen ist es ja so, dass in einer solchen Krisensituation alles möglich ist.

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Es ist immer das Schreckliche möglich und es ist das Strahlende möglich. Und meine Idee war, ein bisschen zu sagen Warum machen wir nicht einfach eine neue Grundrechtscharta, die unser Leben zum Positiven hin verändert? Und das war die Idee. Das hatte ich auch in diesem ZDF-Interview und fuhr nach Hause und hatte das ganze E-Mail-Postfach voll von Leuten, die sagten Toll, wir sind bei dem Projekt dabei.

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Es gab aber noch kein Projekt, das irgendwie ganz lustig. Und dann habe ich mich einfach ein bisschen hingesetzt und hab nochmal genauer darüber nachgedacht. Ich habe diese Gedanken dann schon tatsächlich ein paar Jahre im Kopf. Aber wie man das auch umsetzen kann. Wie kann man wirklich neu Grundrechte in Europa installieren? Die, die auch tatsächlich zum Recht werden und die nicht nur eine Idee sind, sondern die ganz konkret werden? Und dann habe ich, weil ich keinen so wahnsinnig tolle Jurist bin, sehr kluge Verfassungsrechtler und Europarechtliche gebeten, mir zu helfen.

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Ich habe die Grundrechte einmal formuliert und gesagt, was da drin stehen soll. Und das war wunderbar. Die haben dann tatsächlich irgendwie sehr viel in Bewegung gesetzt und wir hatten teilweise bis nachts um vier E-Mail-Verkehr zwischen, zwischen den verschiedenen Städten bis nach Luxemburg und Brüssel und alle haben irgendwie mitgearbeitet. Und mein ganzer Job war eigentlich immer nur zu sagen Das ist viel zu kompliziert, macht es einfacher, streicht Einsatzzweck, das versteht keiner. Bis diese Grundrechte dann so kondensiert und klar und trotzdem richtig sind, wie sie dann in diesem kleinen Büchlein stehen.

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Das ist ja schon ein gigantisches Vorhaben. Und ich habe mich gefragt welchen Einfluss hat die Krone Auswirkungen auf dieses Vorhaben? Denn die Coruña Zeit hat uns ja neben all dem Schmerz irgendwie auch gezeigt. Wenn wir etwas wirklich wollen, dann können wir es auch. Also hat Kuroda uns auch so ein bisschen in die Lage gebracht, dass die Entschuldigungen und Ausreden, in denen wir es uns allzu gemütlich gemacht hatten, plötzlich nicht mehr wirklich funktionierten.

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Genau so ist es, wie Sie sagen. Ja. Erinnern Sie sich vielleicht daran, wie diese vier jungen Frauen von Friedas vor Futuro bei der Kanzlerin saßen? Und die Kanzlerin hat Ihnen eine Stunde zugehört und hat gesagt Alles richtig, was sie sagt, das müssen wir unbedingt machen. Und dann ging sie wieder nach Hause und das war's ja. Es passierte dann sozusagen nichts. Natürlich ist es so, dass die Politik durch solche Initiativen wie Friedas for Future sich überhaupt damit beschäftigt.

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Und es wird auch ernsthafter darüber diskutiert als vorfreudig von Future. Aber letztlich ist es so, dass wir dann immer glauben Naja, das ist ganz gut und langsam wird es wachsen und irgendwann wird es kommen und die Politiker werden das schon machen. So ist es aber nicht. Und was das Erstaunliche und Großartige an dieser Zeit ist, so furchtbar die war ist, dass wir plötzlich gesehen haben Wir können, wenn wir wollen, können wir alles verändern. Und das ist vielleicht die eine große positive Erkenntnis.

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Ganz richtig, wie Sie das sagen, die wir aus dieser Pandemie mitnehmen. Also es gibt gar keinen Grund, etwas nicht zu verändern.

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Schauen wir uns mal dieses utopische Moment dieser neuen Grundrechtecharta an Die Kraft einer solchen Verfassung hängt ja am Ende auch von ihrem Wagemut ab. Die großen Verfassungen, das haben sie auch sehr schön skizziert, waren ja in den Momenten, in denen sie beschlossen wurden. Vor allem Utopien sollten vor allem zeigen, wie es werden soll. Was ist jetzt eigentlich utopisch an z.B. dem Grundrecht auf Umweltschutz? Ist es nicht eigentlich schon fast geradezu realpolitisch? Es ist ja fast im Mainstream schon angekommen, dass man Umweltschutz braucht.

[00:06:44]

Ja, das ist genauso, wie es schon im Mainstream, wenn sie so wollen, angekommen ist 1776, dass wir Freiheit für die Menschen brauchen, obwohl über 100 000 Sklaven in Amerika leben. Und man schreibt das dann auf und dann dauert es in Amerika 160 Jahre, bis dann tatsächlich die Menschen alle gleichgestellt sind. Bei dem Umweltschutz ist. So dass wir ein bisschen glauben, es gäbe schon ein Grundrecht auf Umweltschutz. Das gibt es aber tatsächlich nicht. Wenn Sie nur das deutsche Grundgesetz anschauen, da steht in einem Artikel drin, was alles für den Umweltschutz getan werden soll und dass das ein Ziel des Staates ist, aber kein Recht der Menschen.

[00:07:28]

Und so ist es. Das Klimaschutzgesetz. Wir haben, was die meisten Menschen nicht wissen ein Bundes Klimaschutzgesetz. Das steht in dem Paragraphen 4 sogar ausdrücklich drin, dass diese Rechte nicht einklagbar sind. Und so geht es immer weiter. Wir haben also tatsächlich kein Grundrecht, weder in Deutschland noch in Europa auf Umweltschutz. Also die Juristen lösen das in der Regel damit, dass sie dieses Umweltrecht aus verschiedenen Rechten herleiten, also aus dem Gesundheits, Recht und also zwei.

[00:07:58]

Und dann sagen sie und das ist dann am Schluss unser Umweltrecht. Aber das bringt in ganz vielen Fällen nichts. Also das kann man jetzt nur mit Beispielen erklären. Wenn Sie so eine Klage gab es gerade letzte Woche. Wenn Sie dagegen klagen gingen, Emissionen beispielsweise, dann müssen Sie sich von dem richtet die juristisch berechtigte Frage gefallen lassen. Wie sollen diese Emissionen Sie denn schädigen? Das ist ja frühestens in 20 Jahren der Fall. Oder in 30 oder in 40 und die Unmittelbarkeit ist nicht gegeben und deswegen können Sie nicht klagen.

[00:08:35]

Und dann bedeutet das in der Folge einfach, dass die Emissionen weiterlaufen. Und das ist nicht gerade vernünftig. Ich habe mit Ferdinand von Schirach noch weiter gesprochen, z.B. über das neue Grundrecht, das ich am spannendsten finde. Jeder Mensch hat das Recht, dass Äußerungen von Amtsträgern der Wahrheit entsprechen. Natürlich haben wir vor diesem Hintergrund über den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, aber auch über Viktor Orban und Teile der AfD gesprochen. Wir haben über den politischen Kampf gegen die Manipulations Kraft von Tech-Giganten wie Facebook gesprochen und auch über die Zukunft Europas.

[00:09:16]

Verstärken sich die Fliehkräfte oder setzen sich genug Bürgerinnen und Bürger für die europäische Idee ein? Ferdinand von Schirach spricht vom Wir-Gefühl, das für Europa das Wesentliche sei. Und wo wir schon mal bei neuen Grundrechten sind, habe ich ihn auch gefragt, wie er denn auf die Coruña bedingte Pausiere der bisherigen Grundrechte blickt. Hören Sie diesen 8. Tag in voller Länge, da, wo Sie alle unsere Podcast und Newsletter finden auf The Pioniers Punkt D Ich wünsche Ihnen jetzt erst einmal noch einen schönen Tag.

[00:09:49]

Oft, sehr, sehr bald Ihre Alef Dugan.